Landes-SPD der große Verlierer
Kein Genosse aus Niedersachsen im Bundeskabinett – Unter Schröder waren es vier
Ministerpräsident Weil geht beim Finanzressort leer aus. Der Hamburger Scholz triumphiert.
HANNOVER/BERLIN – Ohne Posten im Kabinett und ohne Einfluss im engsten Führungszirkel der Partei: Niedersachsens SPD gehört zu den großen Verlierern nach Abschluss der Verhandlungen für eine Große Koalition in Berlin, obwohl Niedersachsen mit fast 60 000 SPD-Mitgliedern der zweitstärkste Landesverband in ganz Deutschland ist. Nur NRW (108 000) hat mehr.
Kein Niedersachse wird als SPD-Minister im künftigen Groko-Kabinett sitzen, keiner in der Runde der sechs stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden und Ex-Fraktionschef Thomas Oppermann musste auch schon seinen Posten für die mächtige Andrea Nahles räumen. Noch schlimmer: Die Art, wie SPDChef Martin Schulz den amtierenden Außenminister Sigmar Gabriel abservierte und sich selbst installierte, löst in Niedersachsen heftige Kritik aus. Seit Längerem ist der Goslarer mit Abstand der beliebteste SPD-Politiker – vor Martin Schulz, Olaf Scholz, Andrea Nahles und damit der gesamten künftigen Führungsriege der Partei.
Nicht nur im heimatlichen SPD-Bezirk Braunschweig sind die Genossen stocksauer. „Unmöglich“, lautet noch die harmloseste Kritik. SPD-Landesvize Olaf Lies (Sande) macht aus seiner Enttäuschung kein Hehl. „Ich bedauere, dass im Kabinett bisher kein niedersächsischer Sozialdemokrat vertreten ist. Dieser Wermutstropfen lässt sich leider nicht leugnen“, sagte Lies der Ð.
Unter Gerhard Schröder saßen vier Genossen aus Niedersachsen mit am Tisch des zweiten Kabinetts – außer dem Kanzler noch Peter Struck, Edelgard Bulmahn, Brigitte Zypries sowie Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier. Nach dem Verlust der Regierungsmehrheit führten die Niedersachsen Gabriel und Oppermann die BundesSPD. Vorbei. Selbst der als möglicher Finanzminister hoch gehandelte Ministerpräsident Stephan Weil zog gegen das neue Macht-Trio Schulz, Nahles und den künftigen Finanzminister Olaf Scholz (Hamburg) den Kürzeren.
Dadurch, dass Weil nicht nach Berlin geht, bleibt zudem in Hannover die Tür zu für zwei mögliche Ministerpräsidenten-Nachfolger aus dem Nordwesten: Olaf Lies und Boris Pistorius.
FRAGE: Gute Laune bei SPD und CSU nach der Einigung bei den Koalitionsverhandlungen. Unmut dagegen bei der CDU. Gehen die Christdemokraten als Verlierer vom Platz& GÜNTHER: Die Gesamtbilanz ist auch aus CDU-Sicht gut. Dass sich die Union bei der Ressortverteilung nicht entsprechend ihres Wahlergebnisses durchgesetzt hat, wirft tatsächlich einen Schatten auf das Verhandlungsergebnis. FRAGE: Kritiker sprechen von einer Allianz des Stillstandes. Wo bleibt der Aufbruch& GÜNTHER: Wir haben eine Menge inhaltliche Punkte, die einen Aufbruch markieren: Digitalisierung, mehr Dynamik in der Wirtschafts- und Energiepolitik, Forschung und Bildung werden gestärkt – das alles sind wichtige Verbesserungen. Zudem haben wir endlich Strategien entwickelt, wie wir den Fachkräftemangel bewältigen können. Unter anderem durch ein modernes Zuwanderungsrecht. FRAGE: Besonders groß ist der Ärger über den Verlust des Finanzministeriums... GÜNTHER: Der Verlust des Finanzministeriums ist schmerzhaft. Dass wir dieses Schlüsselressort der SPD überlassen und dafür das Wirtschaftsministerium erhalten haben, ist keine Veränderung zu unseren Gunsten.
Aber es gibt auch Positives darin. Es ist lange her, dass die CDU zuletzt den Wirtschaftsminister gestellt hat. Es gab in der Union schon länger Stimmen, die sich darüber beschwert haben, dass unserer Partei das wirtschaftspolitische Profil abhandengekommen sei. Diesem Eindruck können wir jetzt entgegenwirken. Das ändert aber nichts daran, dass das Finanzministerium für uns wichtig gewesen wäre. Eine solide Haushaltsführung ist eine der Kernkompetenzen der Union. Insofern überwiegen die Schmerzen bei dieser Entscheidung. FRAGE: Wird der Sonderparteitag zum Scherbengericht& GÜNTHER: Auch wenn es Kritik an der Ressortverteilung gibt, gehe ich davon aus, dass die Mehrheit der Partei das Ergebnis mittragen wird. Für die Inhalte gibt es von allen Seiten große Zustimmung. Die Gesamtbilanz für uns ist eindeutig positiv. FRAGE: Von Erneuerung ist bisher nicht viel zu spüren/ GÜNTHER: Das liegt auch daran, dass das Kabinett noch nicht bekannt ist. Auch wenn schon Namen kursieren, die Entscheidungen sind noch nicht getroffen. Ich setze darauf, dass die Besetzung der Posten ein klares Signal für Erneuerung sein wird. CDU und CSU wollen moderne Parteien seien. Wenn die Union es hinbekommt, tatsächlich die Hälfte der Posten mit Frauen zu besetzen, dann wäre das ein wichtiges Symbol des Aufbruchs. FRAGE: Dennoch ist von 0Kanzlerind1mmerung2 die 3ede. uss Angela erkel langsam ihre 4achfolge regeln& GÜNTHER: Angela Merkel ist inzwischen lange und erfolgreich Kanzlerin. Die letzte Kandidatur hat sie sich nicht leicht gemacht, aber sie hat dafür gesorgt, dass die CDU wieder stärkste Kraft bei der Bundestagswahl geworden ist. Deshalb wünsche ich mir, dass sie die Regierung auch in der nächsten Legislaturperiode dominiert. Bei den Koalitionsverhandlungen hat sie eine unglaubliche Power ausgestrahlt.