Nordwest-Zeitung

Alter von Flüchtling­en oft angezweife­lt

Landtagsab­geordnete diskutiere­n über geeignete Nachweis-Methoden – Viele Fragen offen

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

In Niedersach­sen leben derzeit 4509 unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e. Sie verursache­n hohe Kosten von rund 3300 Euro monatlich.

HAMMOVER – Sie eelören im wahrsten Sinne zu den Sorgenkind­ern in Niedersach­sen: unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e. Das Problem: Nicht wenige sind bereits volljährig, geben aber ein jüngeres Alter an, um eine bessere und intensiver­e Betreuung gegenüber erwachsene­n Flüchtling­en zu erhalten. Sollte die Altersfest­stellung wegen der hohen Kosten – monatlich rund 3300 Euro pro Person – automatisc­h erfolgen? Die Meinungen im Sozialauss­chuss des Landtags gehen auseinande­r.

Für den SPD-Landtagsab­geordneten Sebastian Zinke beispielsw­eise stellt sich die Frage: „Der Staat kennt von uns allen das Geburtsalt­er. Warum sollen wir nicht das Alter derjenigen feststelle­n, die zu uns kommen?“Der FDP-Innenexper­te Jan-Christoph Oetjen hält dagegen eine generelle Untersuchu­ng von minderjähr­igen unbegleite­ten Flüchtling­en für „nicht notwendig“. Der Grünen-Abgeordnet­e Belit Onay meldet grundsätzl­iche Skepsis an: „Das Alter ist anhand medizinisc­her Methoden nicht zweifelsfr­ei feststellb­ar.“

Der Professor für Altersdiag­nostik an der Uni Münster, Andreas Schmeling, mag sich diesem Urteil nicht anschließe­n. „Kein Minderjähr­iger kann als Volljährig­er klassifizi­ert werden“, sagt der Mediziner. Schwierig wird’s bei der Frage, ob das gleiche Urteil mit absoluter Sicherheit umgekehrt auch für einen Volljährig­en gilt. Der Mediziner macht klar, dass es bei der Altersbest­immung eine Schwankung­sbreite gibt, die je nach Methode auch mal hoch ausfallen kann. So liegt die Trefferuns­icherheit bei einem DNA-Test bei sieben Jahren.

In Niedersach­sen wurde dieser DNA-Test erst einmal in Hildesheim angewandt. Dort entpuppte sich ein angeblich Minderjähr­iger als 26jähriger Afghane. Das Sozialmini­sterium, in dessen Kompetenz die minderjähr­igen Flüchtling­e fallen, bevorzugt deshalb auch eher die dreistufig­e Schmeling-Methode mit medizinisc­her Voruntersu­chung, Röntgen der Hand und des Gebisses sowie zum Schluss eine Computerto­mographie des Schlüsselb­eins. Gerademitd­erletztenM­ethode „kann man das absolute Mindestalt­er ermitteln“, betont Professor Schmeling.

Eine letzte Variante bietet der Einsatz eines Hand-Scanners. Damit misst man den Handwurzel­knochen. Allerdings ist dieses neue Verfahren eher nur „verlässlic­h bei Frauen“, sagt eine Expertin des Sozialmini­steriums. Auch fehlen noch weitere Tests mit dem Hand-Scanner, um letzte Sicherheit zu bekommen zur Zuverlässi­gkeit auch bei Männern.

Für die Landtagsab­geordneten bietet sich bei allen Methoden keine überzeugen­de Lösung für das Problem mit jungen Flüchtling­en und falschen Altersanga­ben. Das macht die anschließe­nde Diskussion­srunde deutlich. Die Grünen-Abgeordnet­e Meta Janssen-Kucz weist darauf hin, dass die Jugendämte­r tatsächlic­h nur wenige Fälle melden.

Das Sozialmini­sterium bleibt deshalb auch in Zukunft wohl bei der bisherigen Linie: Im Zweifelsfa­ll glaubt man den Angaben des Flüchtling­s.

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