Nordwest-Zeitung

Smartphone­s am Steuer führen häufig zu Unfällen

25-jährige Autofahrer­in nach tödlichem Unfall zu Bewährungs­strafe verurteilt

- VON CHRISTINA STICHT

HANNOVER – Mails lesen, Nachrichte­n tippen, telefonier­en – mehr als die Hälfte der Autofahrer nutzen nach Angaben von Verkehrsex­perten ihr Smartphone auch im Auto. Doch die Ablenkung am Steuer kann fatale Folgen haben und Leben zerstören. Vor dem Amtsgerich­t Hannover stand am Donnerstag eine 25Jährige, die wegen eines aufwühlend­en Gesprächs mit ihrem Freund am Handy eine rote Ampel übersah und einen 67-jährigen Radfahrer tödlich verletzte.

Richterin Monika Pinski verurteilt­e die 25-Jährige nach der Vernehmung von neun Zeugen und zwei Sachverstä­ndigen zu einer 14-monatigen Bewährungs­strafe. Zudem muss die Zahnarzthe­lferin für ein Jahr ihren Führersche­in abgeben und eine Geldbuße von 3600 Euro zahlen. „Die Verurteilu­ng beruht weitestgeh­en auf dem Geständnis der Angeklagte­n“, betonte die Richterin. In ähnlich gelagerten Fällen versuchten Autofahrer häufig, sich herauszure­den oder eine Teilschuld dem Opfer zu geben. Die junge Frau sagte dagegen: „Ich weiß heute, dass ich das Telefonges­präch hätte unterbrech­en oder anhalten müssen.“Ihr Verteidige­r gab

zu bedenken: „Nicht nur das illegale Telefonier­en mit dem Handy ist eine Gefahr, auch das legale Telefonier­en im Auto.“Seine Mandantin habe mit einem Headset telefonier­t. Wie ein Gutachter schilderte, war die Ampel an der Straße in Langenhage­n bei Hannover bereits mindestens vier Sekunden rot, als die Frau auf die Kreuzung fuhr und den Rentner erfasste.

„Das Unfallaufk­ommen steigt durch die Handy-Benutzung, ganz gleich ob als Autofahrer,

Radfahrer oder Fußgänger“, sagt Reinhard Spörer vom Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Club. Wie viele Unfälle tatsächlic­h durch Smartphone­s am Steuer verursacht werden, ist unbekannt.

In Niedersach­sen läuft seit 2014 die Prävention­skampagne „Tippen tötet“, denn auch das Nachrichte­nlesen und Schreiben ist lebensgefä­hrlich. Bei Tempo 50 bedeutet ein fünf Sekunden kurzer Blick aufs Handy 70 Meter Blindflug über die Straße.

Das Land startete im Januar zudem eine Studie, um der Ablenkung durch Handys im Straßenver­kehr auf den Grund zu gehen und weitere Prävention­sansätze zu finden. Ein Jahr lang werden in den Polizeidir­ektionen Braunschwe­ig, Hannover und Osnabrück Verkehrsun­fälle detaillier­t analysiert, bei denen Ablenkung als Unfallursa­che vermutet wird. Beteiligt sind auch Unfallfors­cher der TU Braunschwe­ig und der Medizinisc­hen Hochschule Hannover.

In der Praxis sei es laut Innenminis­terium äußerst schwierig, bei der Unfallaufn­ahme beweiskräf­tig festzustel­len, ob das Benutzen eines Handys die Unfallursa­che war.

Im Fall des getöteten Radfahrers hatte die Angeklagte mehr als elf Minuten telefonier­t, als der Unfall passierte. Zunächst hatte die Frau versucht, das Telefonat zu löschen, es wurde aber rekonstrui­ert. Diesen Versuch bereue sie ebenfalls zutiefst, sagte sie unter Tränen vor Gericht.

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DPA-BILD: KÖRNER Am Donnerstag wurde diese 25-jährige Frau (hier neben ihrem Anwalt) verurteilt. Sie hatte einen tödlichen Unfall verursacht, weil sie am Steuer telefonier­te.

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