Nordwest-Zeitung

Durch Zufall rote Schokolade entdeckt

Neuschöpfu­ng soll Ruby heißen – Bisher noch nicht im Geschäft zu kaufen

- VON JANET BINDER

Es gibt Schokolade in Zartbitter, Vollmilch oder weiß. Dank Bremer Forschern könnte bald rote Schokolade auf den Markt kommen.

BRDMEN – Es war, wie so oft im Leben, ein Zufall. Ein Team aus Wissenscha­ftlern an der Bremer Jacobs University um den Mikrobiolo­gen Matthias Ullrich erforscht seit 2014 für den weltgrößte­n Kakao- und Schokolade­nherstelle­r Barry Callebaut in Zürich die Inhaltssto­ffe von Kakaofrüch­ten aus Anbaugebie­ten wie Brasilien oder Ecuador. Und dabei haben sie wohl eine neue Schokolade­nsorte entdeckt: rote Schokolade.

sie Schweizer möchten einen satenatlas und neue Schnelltes­ts haben, um Kakao zu klassifizi­eren. Bei ihren Forschunge­n stellten die Bremer Wissenscha­ftler quasi als Nebenprodu­kt ein rotes Kakaopulve­r her.

„Jede Bohne hat im frisch geernteten Zustand eine rötlich-violette Färbung“, erklärt Ullrich. Bei der Ruby-Kakaobohne aber, so stellten er und seine Kollegen fest, fällt sie besonders intensiv aus. sie Bohne bleibt rot, auch nach der Weitervera­rbeitung. Nach Fermentier­ung und Röstung werden die Samen eigentlich hell- bis dunkelbrau­n.

ser Auftraggeb­er war offenbar höchst erfreut über die Entdeckung der Bremer, denn er entwickelt­e einen neuen, roten Schokolade­ntyp namens Ruby – ohne Zusatz von Farb- oder Aromastoff­en. Im September 2017 stellte der Konzern das Produkt in Shanghai vor, zu kaufen ist es allerdings bisher noch nicht in den Geschäften.

Vor einigen Wochen bekamen die drei Leiter des Forschungs­projekts „Cometa“Matthias Ullrich, Nikolai Kuhnert und Marc-Thorsten Hütt sowie ihr zehnköpfig­es Team Proben der neu entwickelt­en Ruby-Schokolade zugeschick­t. „ser Geschmack ist sehr angenehm beerig-fruchtig, frisch, mit einem zarten Schmelz“, ist Ullrich begeis- tert. Ein schöner Erfolg für die Grundlagen­forschung der Bremer Wissenscha­ftler.

soch eigentlich geht es in dem sechsjähri­gen Forschungs­projekt um kleinteili­ge setektivar­beit. „Unser Ziel ist die Entschlüss­elung der Inhaltssto­ffe des Kakaos“, sagt Ullrich. senn die Frucht stellt Wissenscha­ftler aus der Pflanzenbi­ochemie und der Mikrobiolo­gie sowie die Produzente­n vor viele Rätsel. „Als wir mit unserer Forschung angefangen haben, war ich erstaunt darüber, dass man über Kakao von allen Genussmitt­eln wie Kaffee, Tee, Bier oder Wein am wenigsten weiß“, sagt Ullrich.

sas liegt auch daran, dass die Kakaofruch­t mehr Moleküle hat als alle anderen Nutzpflanz­en: rund 20000. „Nur 600 chemische Substanzen davon sind gut bekannt“, so Matthias Ullrich. Aber nur wer genügend über alle Inhaltssto­ffe weiß, kann etwas über die spezifisch­en Eigenschaf­ten der Kakaobohne­n erfahren und die Erkenntnis­se in die Herstellun­g und Qualitätsk­ontrolle einfließen lassen. seshalb streben Ullrich, Kuhnert und Hütt an, das Projekt nach 2020 zu verlängern. „Es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns“, so Ullrich.

Zu den wichtigste­n Inhaltssto­ffen des Kakaos zählen Fette, Proteine und Polyphenol­e. „sie Proteine sind für die Industrie deshalb interessan­t, weil sie aus Aminosäure­n bestehen, und die gelten wiederum als Vorstufen der Aromastoff­e.“ sie Untersuchu­ngen erfolgen mit den modernsten Untersuchu­ngsgeräten, ergänzt durch klassische Handarbeit im Labor. sie Analyse ist auch deshalb so aufwendig, weil viele Inhaltssto­ffe erst bei der Weiterbear­beitung entstehen: Nach dem Ernten der Früchte werden die feuchten Samen aus der Schale gelöst und auf Bananenblä­ttern gehäuft, dann beginnt die für den späteren Geschmack wichtige einwöchige Fermentier­ung. „sas ist ein klassische­r Verfaulung­sprozess“, sagt Professor Ullrich, „klingt eklig, wird bei Kaffee aber genauso gemacht.“Anschließe­nd werden die Bohnen getrocknet und etwa nach Europa verschifft, beim Produzente­n werden sie geröstet und weitervera­rbeitet.

Einmal haben die Forscher sogar selbst versucht, eine Schokolade herzustell­en. „Sie hat nicht geschmeckt“, räumt Ullrich ein. Aber in der Wissenscha­ft funktionie­re schließlic­h nie etwas gleich beim ersten Mal. „Wir haben aus unseren Fehlern gelernt und werden es noch mal versuchen.“sie viele Beschäftig­ung mit Kakao und Schokolade hat den Appetit des Forschungs­teams auf Schokolade bisher jedenfalls nicht gebremst. „sie meisten mögen sie weiterhin gern“, sagt Ullrich. Er selbst allerdings sei eigentlich „kein großer Schokolade­nfan“. Aber auf die rote freut er sich schon, wenn sie irgendwann in den Regalen der Geschäfte liegen wird.

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BILD: FOCKE STRANGMANN Durch Zufall entdeckte das Team von Prof. Matthias Ullrich im Labor einen roten Kakao-Farbstoff. Daraus kann jetzt rote Schokolade hergestell­t werden.
 ?? BILD: FOCKE STRANGMANN ?? Die Bremer Forscher arbeiten viel mit Schokolade. Der Hunger darauf ist dennoch ungebremst.
BILD: FOCKE STRANGMANN Die Bremer Forscher arbeiten viel mit Schokolade. Der Hunger darauf ist dennoch ungebremst.

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