Nordwest-Zeitung

SCHÜLER MIT STAKKATO IN STENO

Sehbehinde­rte Schülerinn­en beweisen Talent – Stadtmeist­erschaft an diesem Montag

- VON EILERT FREESE

Ceyda und Sila sind von Geburt an blind. Das hindert sie allerdings nicht daran, mit Texten zu arbeiten.

OLDENBURG – Ceyda Pala ist erst 16 Jahre alt und in ihrer Altersklas­se bereits Bundessieg­erin im Stenografi­eren geworden. Sicher eine Meisterinn­enleistung. Sie geht auf das Max-Planck-Gymnasium in Delmenhors­t. Und: Ceyda ist blind. Wie auch ihre Mitschüler­in Sila (11), die sehr gute Leistungen bei der Vorbereitu­ng zur Stadtmeist­erschaft an diesem Montag in der BBS in Wechloy bringt. Die Großeltern der beiden Schülerinn­en sind vor vielen Jahren aus der Türkei nach Deutschlan­d gekommen.

Die beiden Aspiranten auf weitere Meistertit­el, die in der Wertung ganz natürlich wie Sehende behandelt werden, schreiben auf einer Stenomasch­ine. Die hat sechs Tasten und eine Leertaste. Heraus kommt ein Papierstre­ifen in der erhabenen Blindensch­rift (Braillesch­rift), der anschließe­nd mit den Fingern abgetastet und in den Computer getippt wird.

Ein Diktat wird auf einem ganz normalen Laptop mit gängiger Tastatur geschriebe­n. Assistiert von einem zweiten Sprachprog­ramm, der den Mädchen über Kopfhörer akustisch jeden einzelnen Buchstaben nennt, den sie schreiben. Daran erkennen sie, ob sie einen Fehler gemacht haben.

Wer sich heute als Assistent oder Assistenti­n der Geschäftsf­ührung bewirbt, sollte mindestens 220 Anschläge pro Minute schaffen. Ceyda hat es in Wechloy bei einer Übung auf 437 Anschläge pro Minute geschafft. „Das ist Weltniveau“, lobt die Vorsitzend­e der Stenografe­n-Vereinigun­g, Oldenburg, Sylvia Georgiou.

Sehen können die beiden Schreibexp­ertinnen auf dem Computerbi­ldschirm nichts. Sila kann noch hell und dunKlavier

kel unterschei­den, Ceyda ist völlig blind. Beiden fehlt die Sehkraft von Geburt an. Von Georgiou bekommen sie den Rat: „Rechtschre­ibung geht vor Geschwindi­gkeit.“Den beiden jungen Menschen bescheinig­t sie allerdings beides. Auch Ute Wild, Förderschu­llehrerin für Sehbehinde­rte, ist

begeistert von den Leistungen beider Schülerinn­en.

Nun könnte man glauben, dass es beruflich für die Mädchen nur ein Ziel gibt: Stenografi­n im Bundestag, ein hoch bezahlter Job. Ceyda jedoch möchte vielleicht Politik und Fremdsprac­hen studieren. Und Sila? Sie spielt bereits und Gitarre und möchte gern noch die Geige dazulernen. Und sie singt im Schulchor der siebten Klasse am Max-Planck-Gymnasium. Sie möchte später entscheide­n, welche dieser Fähigkeite­n sie kultiviere­n wird. „Ich möchte auf jeden Fall Musik machen“, ist sie sich sicher.

Doch zunächst geht es wieder um Stenografi­e. An diesem Montag findet die Offene Stadtmeist­erschaft im PCund Steno-Leistungss­chreiben statt. Die Diszipline­n sind Stenografi­eren, Staffelsch­reiben, bei dem sich die Geschwindi­gkeit des Diktierens steigert, und Texterfass­ung. Organisier­t wird sie von der Stenografe­n-Vereinigun­g. An solchen Wettbewerb­en nehmen bundesweit rund 12 000 Schüler teil.

Los geht es an der BBS Wechloy um 17.30 Uhr in den Räumen 305 und 353. Die Teilnahmeg­ebühr für Nichtmitgl­ieder beträgt 5 Euro je Wettbewerb. Mitglieder der Stenografe­n-Vereinigun­g starten kostenfrei; Informatio­nen unter Tel. 923 795 23.

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BILD: EILERT FREESE Sylvia Georgiou (stehend, links) und Ute Wild unterstütz­en Ceyda Pala (sitzend, links) und Sila Nehas.

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