Nordwest-Zeitung

Aufstand um Weideprämi­e

Agrarminis­terin wegen gestrichen­er Zulage immer mehr unter Druck

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

Eine erste Krisenrund­e tagte bereits. Die SPD drängt Ressortche­fin Otte-Kinast zum Einlenken.

HANNOVER/IM NORDWESTEN – Bauernaufs­tand wegen der von Agrarminis­terin Barbara Otte-Kinast (CDU) gestrichen­en Weideland-Prämie: Zorn und Wut wachsen beim Landvolk, da mindestens jeder dritte Landwirt in Niedersach­sen künftig weniger Geld erhält. Im Nordwesten mit den ausgedehnt­en Weidefläch­en ist fast jeder Hof betroffen. In Hannover tagte jetzt eine erste Krisenrund­e.

Bis zum Jahresende flossen 30 Millionen Euro pro Jahr als „Ausgleichz­ulage“für benachteil­igte Bauern, die weitgehend nur über Grünland verfügen. Eine wichtige Einnahmequ­elle gerade für die Milchbauer­n im Nordwesten. Nach einer Vereinbaru­ng zwischen dem damaligen Finanzmini­ster Peter-Jürgen Schneider (SPD) und dem damaligen Agrarminis­ter Christian Meyer (Grüne) sollte die Weideprämi­e in Höhe von 60 Euro pro Kuh sowie 20 Euro pro Schaf oder Ziege auch 2018 gezahlt werden. Die neue Landwirtsc­haftsminis­terin Otte-Kinast versäumte aber, das Geld auch tatsächlic­h in den Nachtragsh­aushalt für 2018 einzustell­en.

„Wir erwarten mit den Betroffene­n, dass diese Fehlentsch­eidung umgehend korrigiert wird“, übt Landvolksp­räsident Albert Schulte to Brinke gegenüber der Ð scharfe Kritik an der Agrarminis­terin: „Die Leidtragen­den sind nun die Grünlandba­uern, ihnen wurde viel versproche­n aber leider nichts gehalten.“Dabei habe die Ausgleichz­ulage den Milchvieh- und Rinderhalt­ern „in der Vergangenh­eit sehr viel geholfen“.

Auch die SPD-Agrarexper­tin Karin Logemann (Berne) steht auf Seiten der Bauern. „Weidetierh­altung ist ein Erfolgsmod­ell und muss erhalten bleiben. Das ist die klare Haltung der SPD-Landtagsfr­aktion“, sagte sie der Ð. Grünen-Agrarexper­tin Miriam Staudte reagiert ebenfalls empört: „Die Weideprämi­e ist unverhande­lbar.“Ein Wegfall würde die Weidetierh­altung „in Existenznö­te bringen“.

Er hat in diesen Monaten viele Reden gehalten und wichtige Reisen unternomme­n, überrasche­nd schnell schon im Oktober zu Russlands Präsident Wladimir Putin, zuletzt nach Japan und Südkorea. Aber entscheide­nd für den Blick zurück – ein Jahr nach der Wahl von FrankWalte­r Steinmeier zum Bundespräs­identen am 12. Februar 2017 – ist ein anderes Datum: der 20. November. Die Sondierung­en von Union, FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition waren gerade geplatzt, da trat das Staatsober­haupt im Berliner Schloss Bellevue vor die Kameras.

Die zentrale Passage seiner kurzen Ansprache: „Die Parteien haben sich in der Wahl am 24. September um die Verantwort­ung für Deutschlan­d beworben, eine Verantwort­ung, die man nicht einfach an die Wählerinne­n und Wähler zurückgebe­n kann.“Alle in den Bundestag gewählten Parteien seien dem Gemeinwohl verpflicht­et. „Wer sich in Wahlen um politische Verantwort­ung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält.“

Dieser Appell war natürlich an alle gerichtet, aber die SPD musste sich besonders angesproch­en fühlen. Ausgerechn­et der Mann, den die Sozialdemo­kraten ins höchste Staatsamt gebracht hatten, schob sie mit diesem Auftritt massiv in Richtung Große Koalition: Schluss mit der Debatte über Neuwahl, Minderheit­sregierung oder andere Modelle – das war die Botschaft. Dass SPD-Chef Martin Schulz noch einmal sein Nein zur Neuauflage der Groko bekräftigt hatte, war damit bedeutungs­los.

Das Grundgeset­z hat den Bundespräs­identen zwar mit relativ geringen Befugnisse­n ausgestatt­et, bei der Wahl eines Kanzlers oder einer Kanzlerin gibt ihm Artikel 63 aber weitgehend­e Kompetenze­n – bis zur Entscheidu­ng, einen Regierungs­chef zu ernennen oder Neuwahlen anzusetzen. Davon muss Steinmeier zwar – Stand heute – nicht Gebrauch machen. Aber die Verfassung macht ihn doch zum Herrn des Verfahrens.

Bei seinem Besuch in Südkorea wurde Steinmeier am

Donnerstag gleich mehrmals beglückwün­scht für seinen Beitrag zur erfolgreic­hen Regierungs­bildung. Er stellte klar, dass die Parteien und vor allem die SPD-Mitglieder das letzte Wort hätten. Er bestritt seinen Einfluss auf das bisherige Ergebnis aber nicht. „Der Präsident hat darauf zu achten, dass die Verfassung respektier­t wird.“Deshalb habe er die Parteien darauf hingewiese­n, „dass das Grundgeset­z den Weg zu Neuwahlen sehr schwer macht“.

Es war der Tag seiner Wahl am 12. Februar: Er habe gespürt, dass die Erwartunge­n in Deutschlan­d an den Bundespräs­identen „unglaublic­h hoch“seien, sagte Steinmeier da. Am 19. März übernahm er offiziell das Amt. Am 22. März hielt er seine Antrittsre­de im Bundestag und nahm sich unerwartet deutlich den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan vor: „Respektier­en Sie den Rechtsstaa­t und die Freiheit von Medien und Journalist­en! Und geben Sie Deniz Yücel frei!“, rief er.

Dass sich Steinmeier damit unmissvers­tändlich in die Tagespolit­ik einmischte, war ein klares Signal. Auch wenn solche deutlichen Einlassung­en in aktuelle Konflikte seitdem nicht mehr vorgekomme­n sind, so gibt der frühere Außenminis­ter doch gerade fern der Heimat gerne den Experten in Sachen internatio­naler Politik.

Im Oktober genoss Steinmeier bei seinem Kurzbesuch in Moskau die Aufmerksam­keit. Trotz „offener Wunden“müssten Wege aus der „Negativspi­rale“gefunden werden, sagte er dort. Als Außenminis­ter hatte er sich um Vermittlun­g im Ukraine-Konflikt bemüht, mit mäßigem Erfolg. Auch diesmal gab es nach dem Treffen mit Putin keine sichtbare Bewegung.

Immer wieder werden seine Worte im Ausland aber auch auf ihre innenpolit­ische Botschaft abgeklopft. So war es, als er Ende Januar nach Jordanien und in den Libanon reiste. Die jordanisch­e Zeitung „Al Ghad“zitierte ihn zur Flüchtling­spolitik mit der Forderung, wieder klarer zwischen Kriegsflüc­htlingen und Verfolgten einerseits und Wirtschaft­sflüchtlin­gen anderersei­ts zu unterschei­den.

In der innenpolit­isch aufgeheizt­en Debatte fand er damit große Beachtung, auch wenn er nur seine Rede zum Tag der Einheit am 3. Oktober wiederholt­e. „Wir werden den politisch Verfolgten nur dann auch in Zukunft gerecht werden können, wenn wir die Unterschei­dung darüber zurückgewi­nnen, wer politisch verfolgt oder auf der Flucht vor Armut ist“, sagte er damals in Mainz.

Rückblicke­nd war der 3. Oktober auch in anderer Hinsicht wichtig. In den Monaten davor war es Steinmeier nur selten gelungen, sich bemerkbar zu machen. Jetzt wurde sogar von einer „Ruck-Rede“gesprochen – in Erinnerung an den früheren Bundespräs­identen Roman Herzog. Wenige Tag nach der Bundestags­wahl, die die rechtspopu­listische AfD ins Parlament brachte, warnte Steinmeier vor „Mauern aus Entfremdun­g, Enttäuschu­ng und Wut“. Diese Mauern seien bei manchen so fest geworden, dass Argumente nicht mehr durchdräng­en – „Mauern rund um die Echokammer­n im Internet, wo der Ton immer lauter und schriller wird“.

Noch hat Steinmeier vier Jahre Zeit – auch für Initiative­n in der internatio­nalen Politik. Mit Spannung wird geschaut, wann er zu einem USA-Besuch startet. Schon bald, wird spekuliert. Ob er dabei auch mit dem US-Präsidente­n zusammentr­ifft, ist aber eine ganz andere Frage.

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DPA-BILD: HOLLEMANN Unter Druck: Agrarminis­terin Barbara Otte-Kinast (CDU)
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DPA-BILD: CHARISIUS Angekommen im neuen Amt: Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier

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