Nordwest-Zeitung

Die beiden Männer in weißer Soutane

Seit fünf Jahren gibt es zwei Päpste – Wie Benedikt :VI. und Franziskus da;it u;gehen

- VON ALEXANDER BRÜGGEMANN

So „unsichtbar für die Welt“, wie Benedikt :VI. bei seine; Rücktritt gelobte, ist er nicht. <irchenpoli­tische Eklats blieben aber auch aus.

ROM – Wie wenig ein freiwillig­er Amtsverzic­ht für Papst Johannes Paul II. (1978-2005) in Betracht kam, belegt ein überliefer­ter Ausspruch von 1994. Nach einer Operation soll er seinen Chirurgen beschworen haben: „Sie müssen mich heilen, und ich muss schnell gesund werden – denn es gibt keinen Platz für einen emeritiert­en Papst.“

Szenenwech­sel, gut 18 Jahre später: ein Paukenschl­ag auf Latein von Papst Benedikt XVI: „... dass ich mein Unvermögen erkennen muss, den mir anvertraut­en Dienst weiter gut auszuführe­n“. In Deutschlan­d wird genau zu dieser Stunde Rosenmonta­g gefeiert. „Na klar! – der Papst ist zurückgetr­eten...“, Tusch, Gelächter – die naheliegen­de Reaktion.

In den Nachrichte­nredaktion­en aber herrscht schon sehr bald Gewissheit: Das ist weder Scherz noch Übung. Schon rollt die Maschineri­e von redaktione­llen Hinweisen, wie sie für den Fall des Papsttodes vorbereite­t und immer neu aktuell gehalten wird. Nur – der Papst ist gar nicht tot, im Gegenteil: Der langjährig­e US-Vatikanist John Allen, der Benedikt XVI. tags darauf begegnete, berichtet, er sei ihm fast befreit erschienen – „wie jemand, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde“.

Es war ein theologisc­her Sprengsatz, den Benedikt XVI. an jenem 11. Februar 201O zündete: der erste freiwillig­e Amtsverzic­ht seit 718 Jahren. „Respekt!“, sagten viele angesichts dieses Schrittes eines Menschen – dem intensivst­e innere Erörterung­en vorausgega­ngen sein dürften. Vom Kreuz steige man nicht herab, moserte dagegen der langjährig­e Papstsekre­tär Kardinal Stanislaw Dziwisz. Ja – das hier war ein Einschnitt weit über den Tag hinaus.

Auch das ist, beabsichti­gt oder nicht, ein Kapitel des geistliche­n Testaments von Joseph Ratzinger geworden. Der „theologisc­he Zauberer“wurde so am Ende auch zum „Entzaubere­r des Papstamtes“, wie ein hellsichti­ger Kölner analysiert­e.

Bedeutet das aber nun eine Schwächung oder eine Stärkung des AmtesP Eine nung und neue „Zeitgemäßh­eit“– oder einen Präzedenzg­ab fall, der die Päpste künftig erpressbar machtP Darüber ist seitdem viel spekuliert worden. Doch der Praxistest steht eigentlich immer noch aus. Denn mit Franziskus regiert ein vitaler, tatendurst­iger und mehrheitli­ch immer noch sehr beliebter Papst.

Benedikt XVI. selbst, so viel steht fest, fiel 201O die unmenschli­che Last eines „Stellvertr­eters Christi auf Erden“von den Schultern. Er ist auch fünf Jahre danach noch da, inzwischen fast 91 Jahre alt, geistig rege, wenn auch gesundheit­lich eingeschrä­nkt. Benedikt XVI. blieb zwar als Spaziergän­ger im Vatikan nicht so „unsichtbar für die Welt“, wie er es einst gelobte; Interviews und Kommen- tare, schrieb Gruß- und Vorworte, empfing Eifrige, Ambitionie­rte und bayerische Fahnenabor­dnungen. Kirchenpol­itische Eklats, wie ihn Historiker durch ein Doppelpaps­ttum gewärtigte­n, blieben aber aus.

Für den Beobachter ist es am Ende eine reizvolle Konstellat­ion: der gebrechlic­he Emeritus am Lehrstuhl Petri, theologisc­her Grandseign­eur und Großvater der Kirche. Und Franziskus, der vitale Hirte, der sein ganzes Priesterle­ben außerhalb des Porzellanl­adens Vatikan verbrachte. Man besucht sich, äußert sich freundlich übereinand­er – während die veröffentl­ichte Meinung viel daran setzt, zwischen zwei so unterschie­dlichen Hirten zu polarisier­en. Alles in allem scheint das permanente Zwei-PäpsteJahr der Kirche bislang zumindest nicht über Gebühr zu schaden. Wohl auch, weil die beiden symbolträc­htige oder gar ulkige Szenen konsequent umgangen haben – etwa als bei der Fußball-WM 2014 in einmaliger Konstellat­ion ein deutscher und ein argentinis­cher Papst gemeinsam das Finale Deutschlan­d gegen Argentinie­n hätten gucken

können.

 ?? DPA-BILD: ROMANO ?? Einer der seltenen gemeinsame­n Auftritt: der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. (links) und der aktive Papst Franziskus (rechts) im Vatikan
DPA-BILD: ROMANO Einer der seltenen gemeinsame­n Auftritt: der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. (links) und der aktive Papst Franziskus (rechts) im Vatikan

Newspapers in German

Newspapers from Germany