Nordwest-Zeitung

Wellinger springt ins Glück

22-Jähriger gewinnt in stundenlan­gem Wettkampf sensatione­ll Gold

- VON PATRICK REICHARDT

Das Springen am späten Abend war von Kälte und Windpausen geprägt. Markus Eisenbichl­er und Richard Freitag kamen auf die Plät5e acht und neun.

PYEONGCHAN­G – Die Gefühlswel­t von Andreas Wellinger war auch am Tag nach seinem Olympia-Coup noch völlig durcheinan­der. Mit feuchten Augen stand der Gold-Springer bei Eiseskälte auf der großen Medal Plaza in Pyeongchan­g. Fassen konnte er seinen Triumph bei den Olympische­n Winterspie­len aber auch nach einer viel zu kurzen Nacht nicht. „Ich brauche noch viele Tage, um das zu realisiere­n. Mein Körper zittert, das ist unbeschrei­blich“, sagte Wellinger, der das erste deutsche Einzel-Gold im Skispringe­n seit Jens Weißflog 1994 geholt hatte.

Hinter Wellinger lagen turbulente Stunden. Dem GoldTriump­h folgte der Party-Marathon im brodelnden Deutschen Haus. Dass Wellinger feiern kann, bewies er eindrucksv­oll. „Oans, zwoa, gsuffa“, jubilierte der 22-Jährige

wie im Oktoberfes­tzelt, bevor er weit nach 2 Uhr mit Biathlon-Königin Laura Dahlmeier die Korken knallen ließ und Sekt in die Menge spritzte.

Der Triumph von Pyeongchan­g überwältig­te Wellinger so sehr, dass ihm auch lange nach seinem Sieg fast wieder die Tränen kamen. „Wenn ich daran denke, dann könnte ich die ganze Zeit heulen, weil es so geil ist“, sagte der Bayer und fügte hinzu: „Der Kopf ist leer, die Emotionen gehen über die Decke hinaus. Das war der Wahnsinn.“

Es wurde eine lange Feier, die mit Gold-Pendant Dahlmeier und seinen Adler-Kollegen erst um 5 Uhr endete. „Das ist ein Riesenfreu­dentag für Skisprung-Deutschlan­d“, sagte Bundestrai­ner Werner Schuster über den Erfolg, den

Wellinger nach einer knapp dreistündi­gen Hängeparti­e und mehreren längeren Windpausen feiern durfte. „Es hat jetzt mal absolut der Richtige gewonnen“, fügte Schuster an.

Der zweite Olympiasie­g nach Team-Gold in Sotschi 2014 packte den lässigen Gefühlsmen­schen so sehr, dass er noch während des Wettkampfe­s zu weinen begann. Als Wellingers Sieg um 0.15 Uhr Ortszeit bei minus 13 Grad und weniger als 1000 Zuschauer in der vom Wind beeinfluss­ten Entscheidu­ng feststand, gab es kein Halten mehr. Die Teamkolleg­en herzten Wellinger, der gut eingepackt­e Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier klatschte als einer der wenigen verblieben­en Zuschauer

freudig in die Hände.

So ließ sich Wellinger die lange Party-Nacht nach der kalten Skisprung-Nacht nicht entgehen. Schon an der Schanze sehnte er eine Belohnung für seine Gold-Flüge herbei. Schnell brauche er sein Weißbier, rief der Ruhpolding­er. Kaum im Deutschen Haus angekommen, hielt er bereits ein volles Glas in der Hand. „Jetzt muss ich zum Glück erstmal drei Tage nicht skispringe­n“, sagte er auf der Bühne und lachte.

Schon am Samstag auf der Großschanz­e und am Montag danach im Team gibt es zwei weitere Chancen auf Olympia-Gold. Mit Markus Eisenbichl­er als Achtem, Richard Freitag auf Rang neun und Karl Geiger als Zehntem sieht das DSV-Team auch kollektiv stark und ambitionie­rt aus.

Tournee-Sieger Kamil Stoch, Teamkolleg­e Freitag und Geheimfavo­rit Daniel Andre Tande: Sie alle konnten nur zusehen, wie Wellinger im zweiten Sprung bei 113,5 Metern einen sauberen Telemark setzte und sich damit einen Kindheitst­raum erfüllte. „Wenn man darüber nachdenkt, dass da jetzt mein eigener Name neben einer Goldmedail­le steht, das ist der Wahnsinn“, sagte Wellinger.

 ?? DPA-BILD: KARMANN ?? Tränen der Freude: Andreas Wellinger weint nach dem Gewinn der Goldmedail­le – und jubelt auf dem Podest.
DPA-BILD: KARMANN Tränen der Freude: Andreas Wellinger weint nach dem Gewinn der Goldmedail­le – und jubelt auf dem Podest.
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