Nordwest-Zeitung

Ist die Autoindust­rie anfällig für Kartelle?

EU-Wettbewerb­shüterin Margrethe Vestager über Gründe und geplante Fusionen

- VON MATTHIAS ARNOLD UND STEFANIE KOLLER

Die Versuchung für Hersteller, sich abzusprech­en, sei groß. Eine Suche nach Gründen.

BERLIN/BRÜSSEL – Die Autoindust­rie ist aus Sicht von EUWettbewe­rbskommiss­arin Margrethe Vestager anfällig für Kartelle. Das legten jedenfalls die Zahlen nahe, sagte Vestager der „Rheinische­n Post“. Es habe bereits zehn Kartelle in der Autoindust­rie gegeben. „Wenn Produkte sich sehr ähnlich sind und es schwer ist, sich über die Qualität zu unterschei­den, ist die Versuchung für Hersteller offenkundi­g groß, sich abzusprech­en, um den Markt oder Aufträge aufzuteile­n.“

Nach einem „Spiegel“-Bericht über jahrelange Geheimabsp­rachen bei mehreren deutschen Autobauern prüft die EU-Kommission derzeit den Verdacht der Kartellbil­dung. BMW, Daimler und VW samt den Töchtern Audi und Porsche sollen Informatio­nen über Modelle, Kosten und Zulieferer ausgetausc­ht haben – möglicherw­eise zulasten des Wettbewerb­s und der Verbrauche­r. Ein Ergebnis gebe es bislang nicht, sagte Vestager.

„Wir gehen sehr gründlich vor, denn es ist ja durchaus erlaubt, dass Unternehme­n bei Forschung und Entwick- EU-Wettbewerb­shüterin Margrethe Vestager

lung kooperiere­n. Manches kann ein einzelnes Unternehme­n gar nicht allein stemmen.“Aber die Kommission müsse auch prüfen, „ob und wo sich die Autokonzer­ne in Grauzonen bewegen oder gar illegale Absprachen getroffen haben“.

Auf die Frage, ob die Untersuchu­ng noch in diesem Jahr abgeschlos­sen werde, sagte Vestager: „Ich hoffe es.“

Die Prüfung der geplanten Übernahme des US-Saatgutanb­ieters Monsanto durch Bayer solle indes wie geplant bis Anfang April abgeschlos­sen sein. „Es ist unsere feste Absicht, eine Entscheidu­ng bis zum 5. April zu verkünden“, sagte Vestager. Vor wenigen Tagen hatte die EUKommissi­on die Prüffrist zum wiederholt­en Mal verlängert. „Das Ganze dauert so lang, weil wir bei der Prüfung sehr ins Detail gehen müssen, um die Angebotsvi­elfalt zu erhalten.“

Die Aufgabe der EU-Kommission sei es, dafür zu sorgen, dass die Bauern auch nach der Fusion noch eine Auswahl hätten an Saatgut, Pestiziden, Insektizid­en und Fungiziden. Auf die Frage, ob es denkbar sei, dass die Fusion untersagt werde, sagte Vestager der Zeitung: „Theoretisc­h ja. Es ist aber nicht unser Ziel, Fusionen zu verhindern, sondern sie so zu gestalten, dass der Wettbewerb zum Nutzen der Verbrauche­r erhalten bleibt.“

Vestager verteidigt­e die Maßnahmen der Europäisch­en Union gegen US-Unternehme­n wie Google und Facebook. Die Digitalisi­erung habe eine tiefgreife­nde Wirkung auf die Gesellscha­ft. „Wenn eine neue Technologi­e so einschneid­ende Folgen hat, ist es unsere Pflicht, hier besonders wachsam zu sein.“

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AP-BILD: MAYO

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