Rührigem Festivaldirektor sind Scherze vergangen
Debatte um Nachfolge von Dieter Kosslick überschattet Berlinale – Auftakt am Donnerstag
BERLIN – Er hat sie alle schon auf dem roten Teppich empfangen: Angelina Jolie und Brad Pitt, George Clooney und Pierce Brosnan, Meryl Streep und Jane Fonda, Isabelle Huppert und Juliette Binoche. Dieter Kosslick, der Mann mit dem roten Schal, ist „Mr. Berlinale“. Seit 17 Jahren steht der Schwabe an der Spitze der Internationalen Filmfestspiele Berlin und hat ihnen als weltweit größtes Publikumsfestival einen guten Ruf verschafft.
Kosslicks Spürnase fürs Kino, seine Vernetzung in der Branche und sein Talent zur Komik haben ihn zur Seele des Festivals gemacht. Wenn er bei der Eröffnungsgala Hollywoodgrößen mit seinem Hausmacher-Englisch empte
fängt und sich im Pingpong mit Moderatorin Anke Engelke in den eigenen Scherzen verheddert, fühlen sich die Stars angekommen.
Doch jetzt droht das Lebenswerk des Festivaldirektors Schaden zu nehmen. Ende 2017 forderten 79 namhaf- Filmemacher, darunter die Oscar-Preisträger Caroline Link und Volker Schlöndorff, einen grundlegenden Neuanfang für das Festival. Die Personaldebatte dürfte die Stimmung bei den an diesem Donnerstag startenden Festspielen deutlich trüben.
Kosslicks Vertrag läuft im Mai 2019 aus, also nach der nächsten Berlinale. Der 69Jährige hat es versäumt, von sich aus einen Termin für einen ehrenvollen Abgang zu nennen. Die für die Nachfolge verantwortliche Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nahm 2017 Gespräche mit ihm auf, hinter den Kulissen begann die Kandidatensuche.
Im November kommt es zum Eklat. Die Filmemacher veröffentlichen ihren Brandbrief, in dem sie ein offenes und transparentes Verfahren zur Neubesetzung fordern. Ziel müsse sein, „eine herausragende kuratorische Persönlichkeit zu finden, die für das Kino brennt, weltweit bestens vernetzt und in der Lage ist, das Festival auf Augenhöhe mit Cannes und Venedig in die Zukunft zu führen“, heißt es da. Schon zuvor hatte es Kritik an der Auswahl für den Bären-Wettbewerb gegeben.
Kosslick empfindet den Brief als persönlichen Affront. Er ist „stinksauer“, wie er sagt, und kündigt an, in Zukunft gar nicht mehr für die Berlinale zur Verfügung zu stehen – auch nicht in einer geteilten Verantwortung, wie zunächst angedacht.
In ihrer Petition hatten die Regisseure eine internationale Findungskommission gefordert. Stattdessen berief Grütters aus dem Aufsichtsrat der verantwortlichen Gesellschaft „Kulturprojekte des Bundes in Berlin“ein Findungstrio, dem sie vorsteht. Lange war eine Doppelspitze im Gespräch, bei der nach dem Vorbild von Cannes die künstlerische und die geschäftsführende Verantwortung geteilt wird. In einem Interview erklärte Grütters aber kürzlich vielsagend, es könne auch Kandidaten geben, die lieber „alles in einer Hand behalten möchten“.
Kosslick hat derweil schon klar gemacht, dass er diesmal mit gebremster Energie an den Start geht. „Ich werde jedenfalls nicht mehr so viele Witze reißen, der Humor wird etwas reduziert“, kündigte er bei der Programmvorstellung an. „Denn die Spaßbremsen möchten das ja nicht.“