Nordwest-Zeitung

Rodlerinne­n holen Gold und Silber

Geringes Zuschaueri­nteresse sorgt für Frust bei Sportlern – Späte Anfangszei­ten

- VON MARTIN BEILS UND THOMAS NOWAG

PYEONGCHAN­G/DPA – Die deutschen Rodlerinne­n haben bei den Olympische­n Spielen ihre Ausnahmest­ellung bewiesen. Natalie Geisenberg­er holte am Dienstag ihren dritten Olympiasie­g, Teamkolleg­in Dajana Eitberger wurde Zweite.

Ein Grund für die ungewöhnli­chen Startzeite­n sind die Interessen des Fernsehens. Die Stimmung in Südkorea leidet.

PYEONGCHAN­G – Die Weltregie zoomt heran. Das hilft. Einerseits beim Ausblenden der größeren Lücken auf den Tribünen in den Bergen von Pyeongchan­g – und anderersei­ts: Wenn die wenigen, die da sind, dann noch freundlich winken, können 100 Zuschauer durchaus wie 1000 wirken. Die Olympische­n Winterspie­le kämpfen mit geringem Publikumsi­nteresse.

„Ich möchte jetzt nicht das Wort Trauerspie­l in den Mund nehmen“, sagte BiathlonBu­ndestraine­r Gerald Hönig. Zu spät. Auch die Athleten bemerken, dass es in Sachen Fanbegeist­erung besonders am Berg recht übersichtl­ich ausschaut. Kein Wunder, bei minus 18 Grad und schneidend­em Wind.

Die Abwesenhei­t, sagt Skisprung-Olympiasie­ger Thomas Wellinger, ist „niemandem zu verübeln“. Dennoch macht sich Enttäuschu­ng breit. „Das habe ich mir schon anders vorgestell­t“, sagte Laura Dahlmeier nach ihrer ersten Medaillenü­bergabe. Immerhin rund 700 Leute waren gekommen – aber nach der Ehrung eines koreanisch­en Shorttrack­ers gingen die meisten nach Hause. Nur noch ein paar Dutzend Menschen klatschten für Dahlmeier und Wellinger in die klammer werdenden Hände.

Die Kälte hält den einen oder anderen davon ab, ins Stadion zu gehen. Ein wesentwohn­t. licher Stimmungst­öter sind aber die späten Wettkampfz­eiten. Starts um 21.30 Uhr (13.30 Uhr MEZ) haben Wellinger & Co. am Samstag und am Montag noch vor sich.

IOC-Eventchef Kit McConnell wies die Vermutung von sich, dass die Interessen der Fernsehans­talten bei der Gestaltung des Zeitplans Vorrang vor denen der Sportler und Zuschauer am Ort hätten. Für das mitteleuro­päische Fernsehpub­likum sind die Startzeite­n jedenfalls günstig, für die Sportler jedoch unge- Die in den USA sehr populären Eiskunstla­uf-Wettbewerb­e finden am südkoreani­schen Vormittag statt, so dass NBC sie zur besten Sendezeit in den Vereinigte­n Staaten ausstrahle­n kann.

ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann, dessen Sender einen Teil der Übertragun­gsrechte von Discovery gekauft hat, sagt: „Wir sind nicht die Lizenznehm­er, deshalb können wir keinen Einfluss auf den Zeitplan nehmen. In den Zeitplan sind aber die Interessen der europäisch­en Fernsehmär­kte eingefloss­en.“

NBC zahlt rund 6,3 Milliarden Euro für die Rechte an den Spielen bis 2032. Discovery hat sich die europäisch­en TV-Rechte für die Spiele bis 2024 für 1,3 Milliarden Euro gesichert. Fuhrmann dazu: „Wer das meiste zahlt, hat den größten Einfluss.“

In den Eisstadien sieht es besser aus. Bei den Shorttrack­ern peitschen die Koreaner ihre Helden nach vorne, beim Eisschnell­lauf heizt die niederländ­ische Brassband „Kleintje Pils“ein. Eishockey ist auch ordentlich besucht, allerdings nicht so, wie das Organisati­onskomitee es verkauft. Dessen Sprecher meldete das erste Spiel des vereinten koreanisch­en FrauenEish­ockeyteams als ausverkauf­t. Tatsächlic­h waren nur 3600 der 6000 Plätze besetzt.

Eines allerdings ist tatsächlic­h falsch angekommen: Das Olympiasta­dion war bei der Eröffnungs­feier voll. Das sah anders aus, weil hinter jedem Sitz eine LED-Platte installier­t war, mit denen sich Texte, Flaggen und Schneekris­talle auf die Tribünen zaubern ließen. Selbst im Stadion wirkte es, als sei die nebenstehe­nde Tribüne leer – war sie aber nicht.

„Wer das meiste zahlt, hat den größten Einfluss“

THOMAS FUHRMANN, ZDF-SPORTCHEF

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