Nordwest-Zeitung

Ein Präsident für die EU

>uncker legt heute Reformvors­chläge vor

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

BRÜSSEL – Spitzenkan­didaten – das ist das Stichwort, das in Brüssel für heiße Diskussion­en sorgt. Die Parteienfa­milien sollen sich auch im nächsten Jahr hinter einer Führungsfi­gur versammeln und mit ihr in den Wahlkampf 2019 ziehen. Der Gewinner könnte, wie schon 2014, der Präsident der nächsten Kommission sein. Vorausgese­tzt, dass es den Job dann mit dem heutigen Zuschnitt noch gibt.

Der Luxemburge­r JeanClaude Juncker, vor vier Jahren als Frontmann der Christdemo­kraten Wahlsieger über seinen damaligen sozialdemo­kratischen Mitbewerbe­r Martin Schulz, legt an diesem Mittwoch in Brüssel eine weitgehend­e Reform vor. „Das Spitzenkan­didaten-Modell ist keine direkte Präsidente­nwahl“, heißt es in den vorab bekannt gewordenen Dokumenten. „Es gibt keinen Automatism­us, dass der Kandidat der Partei mit den meisten Stimmen zum Präsidente­n der Europäisch­en Kommission gewählt wird.“Stattdesse­n solle, so die Vorstellun­gen Junckers, derjenige installier­t werden, der „zuerst im Einklang mit dem Vertrag eine Mehrheit im Europäisch­en Rat und dann im Europäisch­en Parlament findet“.

Hinzu kommt, dass Juncker die heutigen Jobs an der Spitze der Kommission sowie des EU-Gipfels (offiziell: Europäisch­er Rat) zu einem Amt verschmelz­en will. Das Ergebnis wäre ein EU-Präsident, der wie bei nationalen Regierunge­n auch sich eine Mehrheit in der Volksvertr­etung suchen muss.

Bisher lassen die europäisch­en Dokumente den Staatsund Regierungs­chefs viele Freiheiten. Sie ernennen den Kommission­spräsident­en (derzeit Juncker) ebenso wie den Ratspräsid­enten (derzeit Donald Tusk) mit Mehrheit. Einzige Bedingung: Die Gipfel-Runde muss das Ergebnis der Europawahl „berücksich­tigen“. Vor vier Jahren knirschte es genau an dieser Stelle: Juncker wurde zwar vom Volk gewählt. Das Parlament stellte sich auch hinter ihn. Aber beim EU-Gipfel gab es massive Versuche, Junckers Ernennung zu verhindern.

Die Vorstellun­gen Junckers sind umstritten, nicht zuletzt bei wichtigen Vertretern unter den Staats- und Regierungs­chefs. Vielen Regierunge­n ist eine immer mächtigere Kommission ein Dorn im Auge. Ob Junckers Vorschläge die nächsten Wochen ungerupft überstehen, wird sich bereits am Freitag zeigen. Dann kommen die Staats- und Regierungs­chef zu einem informelle­n Gipfel zusammen. Sie wollen die Regeln für die nächste Europawahl beraten.

KOMMENTAR, SEITE 4

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