Missverständnis
Die Amtszeit von Martin Schulz als Parteivorsitzender der SPD war ein Missverständnis. Schulz glaubte, der Partei anstelle des zögernden Sigmar Gabriel einen Kandidaten mit Perspektive für die Bundestagswahl zu präsentieren. Doch die Anfangseuphorie und Aussicht auf einen SPD-Kanzler zerstob spätestens mit dem Verlust der Mehrheit im wichtigsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Schulz’ vorzeitige Festlegungen – keine Große Koalition, zu der es nun doch kommt; kein Eintritt als Minister in ein Kabinett Merkel, bis er seine Liebe zum Außenamt entdeckte – haben der Partei und der Glaubwürdigkeit von Politikern enorm geschadet. Und als hätte das Chaos nicht ausgereicht, preschte er vor und schlug Andrea Nahles als seine Nachfolgerin an der SPD-Spitze vor. Das klingt alles nicht nach einem reifen Plan, es klingt unterschwellig nach Sehnsucht am Untergang. Ach ja, und das Schulz’sche Krisenmanagement war so schlecht, dass der aus Sicht der Sozialdemokraten erfolgreich ausverhandelte Koalitionsvertrag auch noch auf der Kippe steht. Er muss noch das Votum der Parteibasis erhalten, und gar nicht klar ist, ob er das noch schafft – Sozialdemokraten in Schlüsselministerien hin oder her. Kampagnen-Politiker wie Juso-Chef Kevin Kühnert werden starken Zulauf erhalten.
Klar ist, dass Andrea Nahles im Falle ihrer Wahl zur Vorsitzenden den Aufschlag als Spitzenkandidatin bei der nächsten Bundestagswahl hat. Man kann nur hoffen, dass die nächste Bundestagswahl turnusmäßig stattfindet. Sonst müsste man Mitleid haben. In ihrem jetzigen Zustand taugt die SPD allenfalls als Zählkandidat, nicht als Partei, die mit ihrer Programmatik und ihrem Personal die Herzen der Menschen erobern kann.
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