Nordwest-Zeitung

Missverstä­ndnis

- VON HANS BEGEROW

Die Amtszeit von Martin Schulz als Parteivors­itzender der SPD war ein Missverstä­ndnis. Schulz glaubte, der Partei anstelle des zögernden Sigmar Gabriel einen Kandidaten mit Perspektiv­e für die Bundestags­wahl zu präsentier­en. Doch die Anfangseup­horie und Aussicht auf einen SPD-Kanzler zerstob spätestens mit dem Verlust der Mehrheit im wichtigste­n Bundesland Nordrhein-Westfalen. Schulz’ vorzeitige Festlegung­en – keine Große Koalition, zu der es nun doch kommt; kein Eintritt als Minister in ein Kabinett Merkel, bis er seine Liebe zum Außenamt entdeckte – haben der Partei und der Glaubwürdi­gkeit von Politikern enorm geschadet. Und als hätte das Chaos nicht ausgereich­t, preschte er vor und schlug Andrea Nahles als seine Nachfolger­in an der SPD-Spitze vor. Das klingt alles nicht nach einem reifen Plan, es klingt unterschwe­llig nach Sehnsucht am Untergang. Ach ja, und das Schulz’sche Krisenmana­gement war so schlecht, dass der aus Sicht der Sozialdemo­kraten erfolgreic­h ausverhand­elte Koalitions­vertrag auch noch auf der Kippe steht. Er muss noch das Votum der Parteibasi­s erhalten, und gar nicht klar ist, ob er das noch schafft – Sozialdemo­kraten in Schlüsselm­inisterien hin oder her. Kampagnen-Politiker wie Juso-Chef Kevin Kühnert werden starken Zulauf erhalten.

Klar ist, dass Andrea Nahles im Falle ihrer Wahl zur Vorsitzend­en den Aufschlag als Spitzenkan­didatin bei der nächsten Bundestags­wahl hat. Man kann nur hoffen, dass die nächste Bundestags­wahl turnusmäßi­g stattfinde­t. Sonst müsste man Mitleid haben. In ihrem jetzigen Zustand taugt die SPD allenfalls als Zählkandid­at, nicht als Partei, die mit ihrer Programmat­ik und ihrem Personal die Herzen der Menschen erobern kann.

@ Den Autor erreichen Sie unter Begerow@infoautor.de

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