Nordwest-Zeitung

Der bange Blick in die Schweiz

Eidgenosse­n stimmen am 4. März über Zukunft der Rundfunkge­bühren ab

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Rundfunkge­bühren polarisier­en. Und das schon seit Langem. Vorläufige­r Höhepunkt: Am 4. März stimmen die Schweizer über die Abschaffun­g oder den Erhalt der Rundfunkge­bühr ab. Durchaus eine neue Dimension. Und das könnte sich auch auf Deutschlan­d auswirken und eine Revolution auslösen q wobei die Betonung (noch) auf dem Konjunktiv liegt. ARD und ZDF müssen aber ebenfalls so hart kämpfen wie nie zuvor q um Milliarden, Macht und Markt. Die Vorzeichen zu einem möglichen kandel stehen allerdings in einigen Ländern unter ganz unterschie­dlichen Vorzeichen.

Grundsätzl­ich gilt: Die Zeiten haben sich auch im Mediengesc­häft radikal geändert. Doch jetzt steht der Tabubruch an. Der Generalang­riff junger liberal-konservati­ver Politiker in der Schweiz auf den Gesellscha­ftsfunk alter Prägung ähnelt den Attacken wie in Österreich und Ungarn. Kritik aus allen Ländern, auch in Deutschlan­d: zu teuer, zu bürokratis­ch, überdimens­ioniert und aufgebläht. Soweit Einigkeit. Aber die Vorzeichen sind schon unterschie­dlich geprägt.

In der Schweiz, wo alles teurer scheint als auf dem übrigen Kontinent, zahlen die Haushalte 451 Franken (etwa 391 Euro) pro Jahr an die Schweizeri­sche Radio- und Fernsehges­ellschaft (SRG) für 17 Radio- und sieben TV-Stationen. Die treibenden Kräfte bei den Eidgenosse­n, die das Die Rundfunkge­bühren bieten immer wieder Anlass zum Streit.

bisherige System in Frage stellen, argumentie­ren: die Gesellscha­ft hat sich aufgefäche­rt, jeder sucht das für ihn passende Angebot q und findet es in einem bunten medialen Markt der Möglichkei­ten. Die Nation versammelt sich nicht mehr um das „Lagerfeuer“Fernsehen, die yra der Straßenfeg­er ist längst vorbei. regiert.

Die konservati­v-nationalli­berale Regierung in kien will noch im Frühjahr ein neues ORF-Gesetz (ORF: Österreich­ischer Rundfunk) auf den keg bringen, bei dessen Ausgestalt­ung die Entscheidu­ng der Schweizer Volksabsti­mmung indirekt eine große Rolle spielen dürfte. Die ehemalige Haider-Partei FPÖ und ihr Parteiführ­er Heinz-Christian Strache haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie mit dem ORF in seiner bisherigen Form zutiefst unzufriede­n sind. Als Reaktion hat die FPÖ ihr eigenes Medienimpe­rium in den sozialen Netzen und Online-Fernseh-Kanälen geschaffen.

ORF-Chef Alexander krabetz, Mitglied der sozialdemo­kratischen SPÖ, steht angesichts des Rechtsruts­ches in seinem Land unter Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) ohnehin unter scharfer Beobachtun­g.

kährend der ORF noch zum nationalen Inventar der Alpenrepub­lik wie der Kaiserschm­arrn zu gehören scheint, sieht es im Nachbarlan­d Ungarn bereits ganz anders aus. Der rechtspopu­listische Premier Victor Orb{n hat den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk kurzerhand zu seinem Haussender gemacht und gleichzeit­ig freie Medien brutal auf Linie gebracht. Es lebe die Demokratie.

Aber: die Bestrebung­en in Österreich und Ungarn sind ganz anderer Natur und durchaus (wenn nicht nur) in erster Linie politisch motiviert. In Österreich gibt es eine radikal veränderte politische Lage, wo die ÖVP (Österreich­ische Volksparte­i) seit Kurzem zusammen mit der konservati­v-nationalen FPÖ (Freiheitli­che Partei Österreich­s)

Kommen wir zu uns. Vor allem junge Deutsche fragen sich, warum sie 17,50 Euro im Monat für ein Angebot zahlen sollen, wenn sie Filme über Netflix schauen und sich Nachrichte­n aus dem Internet holen können. karum braucht die Republik eigentlich 20 Fernseh- und Radioprogr­amme und mehr als 120 Angebote für Smartphone­s und Computer aus öffentlich­rechtliche­r Handx

Da ist es für ARD und ZDF nicht einfach, eine schlüssige Argumentat­ionskette dafür aufzubauen, das System überhaupt zu erhalten und/oder beziehungs­weise die Gebühren gar weiter zu erhöhen. Denn tatsächlic­h sind die beiden Sendeansta­lten q ARD mit 6,6 Milliarden und ZDF mit 2,3 Milliarden Euro Gesamtertr­ägen q keine Armenhäuse­r. Kein anderes öffentlich­rechtliche­s Rundfunksy­stem in Europa kann auf mehr Gebührenei­nnahmen zurückgrei­fen.

Das Jahr 2018 könnte in die Annalen der Rundfunkge­schichte Deutschlan­ds eingehen. Im Frühjahr beraten die Ministerpr­äsidenten der Länder erneut über Vorschläge zur Strukturre­form von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio. Es geht um die Neudefinit­ion des Auftrags der Anstalten, vor allem aber um eine Reform, die den immens teuren Apparat erheblich entschlack­t.

Die Blicke richten sich in vielen europäisch­en Ländern am 4. März auf die Schweiz.

Autor dieses Beitrages ist Norbert

Wahn. Der 58-Jährige ist Mitglied der Politik-Redaktion. @ Den Autor erreichen Sie unter Wahn@infoautor.de

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DPA-BILD: BURGI
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