Nordwest-Zeitung

Warum Werder besseren Fußball spielt

Bremer entdecken unter Trainer Kohfeldt Lust auf Angriff wieder – Gutes Teamgefüge

- VON LARS BLANCKE

Werder spielt nicht nur erfolgreic­her, sondern auch attraktive­r. Das hat mit einigen Veränderun­gen unter dem neuen Coach zu tun.

BREMEN – Wer auf die Tabelle der Bundesliga schaut, der sieht aktuell nicht das, was wirklich drinsteckt – zumindest auf Werder Bremen bezogen. Platz 15 steht da, 23 Punkte, akute Abstiegsge­fahr. Und so ist es selbstrede­nd auch. Noch. Denn in der Rückrunde steht das Team von der Weser auf Platz fünf. Und nicht nur das. Laut Sky-Experte und früherem Nationalsp­ieler Dietmar Hamann spielt Werder im Jahr 2018 sogar mit dem FC Bayern und Bayer Leverkusen den attraktivs­ten Fußball der Liga.

Vieles spricht dafür, dass sich die Mannschaft unter Trainer Florian Kohfeldt derart verbessert hat, dass das Zittern um den Ligaverble­ib in den nächsten Wochen ein Ende finden könnte. Oder die Fans zumindest nicht bis zum 34. Spieltag bangen müssen. Was macht die Bremer derzeit so viel besser? Die Ð nennt ein paar Gründe.  MUT ZUR ATTACKE

Es ist so etwas wie ein Trend, dass immer mehr Mannschaft­en in der Bundesliga zunächst auf das Tore verhindern setzen. Die Liga ist ausgeglich­en, viele Teams spielen auf einem Niveau, da will man keine Fehler machen. So war es bei Werder unter Alexander Nouri, so ist es aber nicht mehr unter Kohfeldt. Der junge Coach lässt mutig und aggressiv nach vorn spielen, forciert das Zutrauen auch in schwierige Aktionen. Werder sucht zwar wie viele Mannschaft­en ebenfalls nach Ballgewinn­en das schnelle Umschaltsp­iel, setzt die Gegner teilweise aber auch früh in der eigenen Hälfte unter Druck. In München (2:4) sorgte man damit schon für Aufmerksam­keit, in Leverkusen ebenfalls (2:4 n.V.). Einzig im Spiel bei Schalke 04 agierte Werder in diesem Jahr eigentlich über weite Stecken zu passiv – gewann aber mit Glück noch 2:1.  MEHR ALTERNATIV­EN

Werder kann immer besser rotieren – und das ist ein Verdienst von Kohfeldt. Der Trainer hat Spieler wieder stark gemacht, die in Bremen schon als gescheiter­t galten. Bestes Beispiel ist der gegen Wolfsburg (3:1) überragend­e Florian Kainz gewesen, der seine ersten beiden Saisontore erzielte. Er spielte unter Nouri nur eine kleine Nebenrolle, gar überhaupt keine Rolle nahm Aron Johannsson ein. Auch der US-Amerikaner steht plötzlich wieder in der Startelf, wirkt engagiert und ist ein belebendes Element. Weil Werder in Fin Bartels nur einen Langzeitve­rletzten und in Milot Rashica sowie Sebastian Langkamp im Winter zwei weitere Spieler verpflicht­et hat, sind auf einmal deutlich mehr Alternativ­en da – und das schürt den Konkurrenz­kampf.  GUTES TEAMGEFÜGE

Eben genau wegen dieser neuen Konkurrenz­situation sitzen auch etablierte Kräfte auf der Bank. Kapitän Zlatko Junuzovic war es bei Schalke04, der zuvor stets gesetzte Däne Thomas Delaney gegen Wolfsburg. Kommt dadurch Unruhe im Team auf? Bisher mitnichsuc­ht ten. Kohfeldt die direkte Ansprache zu seinen Jungs, erklärt ihnen nach eigenen Angaben rechtSpiel, zeitig vor dem wasitzen rum sie draußen und wofür er sie später in der Begegnung noch

Ehrgeizig an der Seitenlini­e: Florian Kohfeldt braucht. Diese vertrauens­volle Herangehen­sweise kommt an. Auch andere Profis wie Robert Bauer, hinter Theodor Gebre Selassie rechts hinten nur zweite Wahl, verhalten sich ruhig. Den einzigen Spieler, der sich trotzig gezeigt hat, haben die Bremer konsequent­erweise in die Reserve geschickt: Lamine Sané. Ein Signal an seine Kollegen, dass so ein Verhalten an der Weser nicht geduldet wird.  MITTELFELD-UMSTELLUNG

Seit einiger Zeit spielt Maximilian Eggestein nicht mehr auf der Sechs, also im defensiven zentralen Mittelfeld, sondern weiter vorn auf der Acht. Der 21-Jährige ist eines der Gesichter des Bremer Aufschwung­s, spielt seit Wochen in Topform. Eggestein ist so etwas wie das DuracellMä­nnchen im Bremer Kader, an den sechs Rückrunden­Spieltagen war er sensationa­lle viermal der laufstärks­te Spieler aller Bundesliga­Teams zusammen. Teilweise mehr als 13 Kilometer spult der U-21-Nationalsp­ieler ab, stößt immer wieder in die Spitze, gewinnt aber auch Zweikämpfe im Zentrum. Mit Philipp Barg- frede hinter ihm und Delaney oder wie zuletzt Junuzovic neben ihm besitzt Werder ein enorm laufstarke­s Mittelfeld – und davon profitiert die gesamte Mannschaft.  KEINE KRUSE-ABHÄNGIGKE­IT

Wenn Max Kruse nicht trifft, ist Werder nichts wert: Diese Auffassung hatten viele Beobachter in der Vergangenh­eit. Kruse ist natürlich nach wie vor unverzicht­bar, wirkt austrainie­rt wie selten und zieht die Fäden in der Bremer Offensive. Aber: Der Stürmer hat erst fünf Liga-Tore erzielt – allenfalls ein durchschni­ttlicher Wert für einen Mann seiner Klasse, zumal er drei Treffer allein gegen Hannover 96 (4:0) erzielte. Was das bedeutet? Werder ist im Angriff nicht mehr so leicht ausrechenb­ar. Kainz (2), Ludwig Augustinss­on, Junuzovic, Kruse, Jerome Gondorf und Gebre Selassie (je 1) heißen die letzten Torschütze­n in der Liga, dazu traf Johannsson im Pokal. Zudem tut es Kruse gut, dass es andeUnruhe­herde re neben ihm gibt. So kann er sich leichter einmal der gegnerisch­en Defensive entziehen.  SELBSTBEWU­SSTSEIN

Es ist eine immer wiederkehr­ende Binsenweis­heit, aber mit den besseren Ergebnisse­n kehrte das Selbstvert­rauen nach Bremen zurück. Die Progehen fis mit einer ganz anderen Körperspra­che in die Begegnunge­n, äußern sich deutlich mutiger in Interviews. Kohfeldt unterstütz­t das, fordert den Mut, jedes Spiel gewinnen zu wollen – auch in München oder Leverkusen. Bei der Auswärtspa­rtie beim SC Freiburg wartet an diesem Samstag (15.30 Uhr) ein derzeit ähnlich selbstbewu­sster Gegner, danach gastiert der verunsiche­rte Hamburger SV (24. Februar, 18. 30 Uhr) im Weserstadi­on – zwei Spiele, in denen Werder einen sehr großen Schritt aus den unteren Regionen machen könnte. Vielleicht zeigt die Tabelle danach ein wenig mehr, was derzeit in den Bremern steckt.

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