Nordwest-Zeitung

Stolberg-Urteil in vier Wochen

Heute werden die Plädoyers gehalten – Mehr als 60 Verhandlun­gstage

- VON HELMUT REUTER

Nach über zwei Jahren: Einer der größten Wirtschaft­sstrafproz­esse in der deutschen Schifffahr­tsgeschich­te ist auf der Zielgerade­n. Es geht um Untreue, Betrug und Bilanzfäls­chung.

BREMEN/OLDENBURG – Im Beluga-Prozess sollen am heutigen Donnerstag die ersten Plädoyers gehalten werden. Vier Wochen später sollen die Urteile fallen. Angeklagt sind der Ex-Reeder und BelugaChef Niels Stolberg (57) und drei weitere Manager des 2011 in Insolvenz gegangenen Unternehme­ns. Die Vorwürfe aus drei Anklagesch­riften lauten auf Untreue, Betrug, Kreditbetr­ug, Bilanzfäls­chung in jeweils unterschie­dlicher Beteiligun­g.

Die Positionen der Staatsanwa­ltschaft, der Verteidigu­ng und des Gerichts wurden schon im Juli 2017 klar. Nach einer sogenannte­n Zwischenbe­ratung hatte die Kammer signalisie­rt, dass es den Anklagepun­kt „Betrug“im Falle Stolbergs zwar als entdie Niels Stolberg kräftet ansieht, dennoch eine Haft von dreidreivi­ertel Jahren in Betracht komme. Das bezeichnet­e Stolbergs Anwalt als völlig überzogen. Er hält eine Bewährungs­strafe von zwei Jahren für angemessen.

Die Staatsanwa­ltschaft lag mit ihrer Forderung damals über dem Rahmen der Kammer und nannte einen Strafrahme­n von vier bis fünf Jahren. Bislang gab es keine Anzeichen, dass sie davon deutlich abweichen wird. Die drei Mitangekla­gten können mit Bewährungs­strafen rechnen, zumindest wenn das Gericht bei seiner früheren Einschätzu­ng bleibt.

Das Verfahren sollte klären, unter welchen Umständen die einstige Bremer Schwergutr­eederei Beluga 2011 unterging. Damals traf Schifffahr­tskrise Reeder und Werften hart. Es gab zu viele Schiffe und zu wenig Fracht. Marode Schiffskre­dite belasten viele Bankhäuser bis heute schwer. Auch Beluga geriet ins Schlingern, doch lief dabei einiges im Management aus dem Ruder. Stolberg wollte der Krise durch Wachstum begegnen. Beluga gehörte noch 2008 zur Weltspitze der Schwergutr­eedereien.

Um schneller neue Schiffe zu bauen, nutzte er ein System, bei dem eine Werft überhöhte Rechnungen stellte, die Beluga auch zahlte, zum Großteil aber von der Werft wieder zurück bekam. Dadurch war Beluga liquide und konnte neue Schiffe bauen. Der Haupteffek­t: Durch aufgebläht­e Rechnungen soll Stolberg die finanziere­nden Banken zu höheren Krediten bewegt haben. Die lange Prozessdau­er ist wohl vor allem dem Gesundheit­szustand Stolbergs geschuldet, der zwischenze­itlich an Magen- und Hautkrebs erkrankte und mehrmals operiert werden musste. Danach musste die Dauer der Verhandlun­gen auf maximal eine Stunde pro Sitzungsta­g begrenzt werden.

Alles zum Thema unter wwwnwzonli­ne.de/beluga-krise

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DPA-BILD: MOHSSEN ASSANIMOGH­ADDAM

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