Es rumort im beschaulichen Saterland
Drei von anfangs sechs Bewerbern buhlen um den Chefsessel im Rathaus
In elf Tagen wird ein neuer Verwaltungschef gewählt. Es sind unruhige Zeiten in der Gemeinde.
RAMSLOH – Beschaulich geht es zu in der Gemeinde Saterland. Die kleine Kommune im Landkreis Cloppenburg hat eine intakte Vereinsstruktur, potente Arbeitgeber, touristisch einiges zu bieten und gilt Dank des Saterfriesischen als eine der kleinsten Sprachinseln der Welt. Doch seit ein paar Wochen rumort es im Saterland gewaltig. Grund ist die anstehende Bürgermeisterwahl am Sonntag, 25. Februar.
Eigentlich hätten die Saterländer erst wieder im Jahr 2021 an die Urne gemusst. Doch der bisherige Bürgermeister Hubert Frye (CDU) erkrankte schwer. Im April 2016 erlitt Frye einen Schlaganfall, von dem er sich zwar recht gut erholte; er nahm auch die Arbeit zunächst wieder auf. Doch um sich weiter von der Krankheit zu erholen, könne er das Amt des Bürgermeisters nicht weiterführen, kündigte er an.
Also entschied sich Hubert Frye im August 2017 schweren Herzens dafür, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Einen Monat später wurde er mit einem großen Festakt in den Ruhestand verabschiedet.
Intensiver Wahlkampf
Seitdem ist ein Rennen um den vakanten Bürgermeisterstuhl gestartet. Und das mit einer Intensität, die die Saterländer in dieser Form nicht kennen. Denn wenn es eine Konstante in der Gemeinde gab, dann den Bürgermeister. Hubert Frye trat seinen Dienst als erster hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Saterland 1999 an. 2006 wurde er für eine zweite Amtszeit von acht Jahren gewählt. 2014 wurde er mit 84,2 Prozent der Stimmen für eine dritte Amtszeit bis 2021 ins Amt berufen.
Ernsthafte Gegner hatte der CDU-Mann im CDU-Land nie. Bei der letzten Wahl trat auch keiner mehr gegen Frye an. Mit der Konsequenz, dass nur 38 Prozent der Wahlberechtigten an der Wahl teilnahmen. Im besten Fall ist das damit zu begründen, dass die Saterländer hochzufrieden waren mit dem Amtsinhaber, im schlechtesten Fall mit Gleichgültigkeit. Wie auch immer, Hubert Frye war ein allseits angesehener Verwaltungschef, der in seiner gesamten Amtszeit eine große Ruhe, Kompetenz und Souveränität ausstrahlte.
Mit dieser Ruhe ist es vorerst vorbei. Sechs Bewerber warfen ihren Hut in den Ring. Drei dieser Kandidaten wollten für die CDU antreten. Also mussten die Saterländer CDU-Mitglieder ihren Wunschkandidaten in einer
Urwahl ermitteln. Im ersten Wahlgang hatte Rigobert Naber aus Scharrel das Nachsehen. Im zweiten Wahlgang setzte sich Gerd Dumstorff aus Sedelsberg denkbar knapp mit 118 zu 110 Stimmen gegen Martin Ehlers aus Wilhelmshaven durch.
Vor der Urwahl waren auffällig viele Neuaufnahmen in der CDU zu verzeichnen gewesen. 80 neue Mitglieder, davon 40 aus Sedelsberg, traten in die CDU ein und durften somit auch an der Urwahl teilnehmen. Schnell machte der Vorwurf die Runde, dass Dumstorff die Wahl nur gewonnen habe, da es viele Neuaufnahmen aus seinem direkten Umfeld gegeben habe. Selbst wenn das stimmen sollte, verboten ist das nicht. Diese Art der Mitgliederwerbung ist im Vorfeld einer Urwahl sogar durchaus üblich.
Nähe zu Reichsbürgern
Zwei Bewerber waren also aus dem Rennen. Ein dritter sollte schnell folgen. Heinrich Müller aus Sedelsberg stolperte über seine (jüngste) Vergangenheit. Recherchen dieser Zeitung ergaben nämlich, dass Müller als Mitglied von „Königreich Deutschland“der Reichbürgerszene für viele Gerd Dumstorff
Jahre sehr nahe stand. „Reichsbürger“berufen sich nach Auskunft des Bundesamtes für Verfassungsschutz „auf eine Vielzahl pseudojuristischer Erwägungen und Verschwörungstheorien“. Das 2012 gegründete „Königreich Deutschland“hält sich für einen souveränen Staat und erkennt den Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland nicht an. Es gibt unter anderem eine eigene Bank, eigene Währung, eigene Krankenkasse und eigene Papiere.
Heinrich Müller behauptete gegenüber dieser Zeitung zwar, dass dieses Kapitel seit ein, zwei Jahren für ihn abgeschlossen sei. Doch weitere Recherchen ergaben, dass er im vergangenen Jahr zum Beispiel an mehreren Laufveranstaltungen Thomas Otto
teilgenommen hatte – und startete nicht für irgendeinen Verein, sondern für das „Königreich Deutschland“. Eine klare Distanzierung zur Vergangenheit sieht anders aus. Das dachte sich auch die Unabhängige Wählergemeinschaft (UWG) Saterland, die Müller im Wahlkampf eigentlich unterstützen wollte. Sie versagten dem ExReichsbürger die Gefolgschaft. Kurz darauf zog Müller seine Kandidatur offiziell zurück.
Gefälschte E-Mail
Jetzt sind es also nur noch drei Bewerber. Henning Stoffers (SPD) aus Ramsloh, Thomas Otto (unabhängig, von den Grünen unterstützt) Henning Stoffers
aus Uplengen und Gerd Dumstorff (CDU) aus Sedelsberg.
Die Bewerberzahl hat sich somit halbiert. Ruhiger geworden ist es deshalb aber längst nicht. Im Gegenteil. Wer gedacht hatte, dass der Wahlkampf fair vonstatten gehen würde, wurde enttäuscht. Mehrere anonyme Schreiben sind in letzter Zeit in der Friesoyther Lokalredaktion eingegangen. Vorläufiger Tiefpunkt war ein Leserbrief, der per E-Mail einging, angeblich abgeschickt von einer Person aus dem Saterland. Eine kurze Recherche ergab allerdings, dass es diesen Mann überhaupt nicht gibt. Die E-Mail und der Absender waren eine Fälschung.
Mit den Inhalten dieser Schreiben wollte und will man den CDU-Bewerber gezielt schädigen. Frei nach dem Motto: Wir werfen mit viel Dreck, etwas wird wohl hängen bleiben. Wer hinter dieser Kampagne steckt, ist bislang unklar.
In elf Tagen wählen die Bürger der Gemeinde Saterland ihren neuen Bürgermeister. Elf Tage unter Hochspannung. In zwölf Tagen könnte es aber wieder lauten: Beschaulich geht es zu in der Gemeinde Saterland.