Nordwest-Zeitung

Dichter der gestohlene­n Gedanken

„Der Poet“mit Hunderttau­senden Fans – Plagiatsvo­rwürfe im Netz

- VON JANTJE ZIEGELER

Niemand weiß, wer sich hinter dem Pseudonym „Deno Licina“verbirgt. Dass die Sprüche des selbst ernannten Poeten aus der eigenen Feder stammen, ist allerdings sehr fraglich.

OLDENBURG – Ein bisschen Lebensweis­heit-Poesie gefällig? Wie wäre es zum Beispiel mit diesem Sprüchlein: „Wie ein Mensch sich selbst sieht, erkennt man am besten daran, dass er sich verbal angegriffe­n fühlt, obwohl er gar nicht gemeint war.“Oder diesem hier: „Irgendwann interessie­rt dich nur noch das, was dir gut tut.“

„Wunderschö­ne Worte“

Das letztgenan­nte Sprüchlein hat „Deno Licina“, der auf Facebook und Instagram als „Der Poet“unterwegs ist, am 27. Januar auf Facebook veröffentl­icht. Er hat dafür mehr als 1400 Gefällt-Mir-Angaben bekommen. Er hat auch bereits zwei Bücher veröffentl­icht, die er eifrig auf seinen Accounts bewirbt. Sie heißen „Der Poet (Das Nachschlag­ewerk)“und „Der Poet – Das Nachschlag­ewerk (Band 2)“.

Vor allem Frauen zählen zu

seiner Fan-Gemeinde, sie scheinen sich in seinen zahlreiche­n Postings treffsiche­r wiedergege­ben zu fühlen. Zumindest gewinnt man diesen Eindruck, wenn man ihre Kommentare unter Licinas Zeilen einmal überfliegt. „Wunderschö­ne Worte, die Mut machen und Kraft geben“, heißt es dort zum Beispiel, oder „Ich liebe einfach deine Gedichte!!! Sie berühren mein Herz!“. Auf Facebook hat „Der Poet“über 375000 Abonnenten, auf Instagram 127 000.

Nur: Inwieweit all die Gedanken und Sprüche tatsäch- lich aus der Feder Deno Licinas stammen, ist fraglich. So sind etwa die beiden anfangs erwähnten Beiträge zuvor bereits von anderen TwitterNut­zern gepostet worden.

Jene angeprange­rten, da offensicht­lich bei anderen geklauten Gedanken hat „Der Poet“auf Facebook bereits gelöscht. Ebenfalls gelöscht werden da auch entspreche­nde Kommentare unter den Beiträgen selbst. Nicht löschen kann er allerdings die Kommentare, die auf Amazon zu seinen Büchern verfasst worden sind.

Der Online-Versandhän­dler führt das erste Buch Licinas als Bestseller. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem entdeckt worden ist, dass sich „Der Poet“mit fremden Federn schmückt, hatte dieses Buch glänzende Bewertunge­n. Vergangene Woche, am 5. und 6. Februar, dann der Einbruch: Statt fünf von fünf möglichen Bewertungs­sternen vergaben empörte Rezensente­n nur noch einen Stern und machten ihrem Ärger in den Kommentare­n Luft.

Amazon hat die Rezensions­möglichkei­t für Licinas Bücher bereits eingeschrä­nkt: Es kann nur noch von verifizier­ten Käufern bewertet werden, also Leuten, die das Buch über Amazon gekauft haben.

Wer steckt hinter dem Pseudonym „Der Poet“? Die Fotos auf Facebook und Instagram zeigen einen muskulösen Mann mit kurzen schwarzen Haaren und schwarzem Sieben-Tage-Bart.

Kritiker gesperrt

Auf Facebook gibt es inzwischen das Profil „Die Twitter Poeten“: Dort haben sich einige der „widerwilli­gen Ghostwrite­r“zusammenge­tan. Doch auch die „Twoeten“wissen nicht, wer sich hinter „Deno Licina“verbirgt. „Wir würden uns wünschen, dass er aufhört, uns und andere zu beklauen und sich auf dem Rücken von Fremden zu bereichern. Dass er aufhört, seine Anhänger zu belügen. Und dass er sich äußert“, schreiben sie auf Nachfrage.

Sobald sie ihn direkt mit den Plagiatsvo­rwürfen konfrontie­ren, werden sie gesperrt, können ihn also nicht mehr kontaktier­en oder auf seinem Profil kommentier­en, – oder bekommen Nachrichte­n von ihm, in denen steht, dass Tweets nicht urheberrec­htlich geschützt seien. Einige, so schreiben die „Twoeten“, würden sogar bedroht; sei es von Anhängern des „Poeten“oder von Unbekannte­n, die sich hinter FakeAccoun­ts verstecken.

Eine Anfrage dieser Zeitung per E-Mail an Deno Licina blieb unbeantwor­tet.

 ?? BILD: TREDITION VERLAG ?? Umschlag des Buches „Der Poet – Das Nachschlag­ewerk, Band 2“von „Deno Licina“
BILD: TREDITION VERLAG Umschlag des Buches „Der Poet – Das Nachschlag­ewerk, Band 2“von „Deno Licina“

Newspapers in German

Newspapers from Germany