Wirbel um gefälschte E-Mail
Altkanzler Schröder schrieb nicht an Simone Lange
BERLIN/FLENSBURG/STADLAND – Die Herausforderin von Andrea Nahles bei der Wahl um den SPD-Parteivorsitz, Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange, ist auf eine falsche E-Mail hereingefallen. Das Büro von Altkanzler Gerhard Schröder dementierte am Donnerstag, dass er ihr eine kritische E-Mail geschrieben habe, nachdem sie sich um den Parteivorsitz beworben hatte. Das hatte Lange zunächst erklärt. Das Berliner Büro des Altkanzlers teilte mit, dass es keine Mail Schrösche.
ders an Lange gegeben habe.
Lange hatte zuvor erklärt, sie sei durchaus überrascht von dem sehr persönlichen Anschreiben gewesen, zumal sie Schröder persönlich gar nicht kenne. Sie habe das Schreiben so verstanden, dass der Altkanzler es lieber gesehen hätte, wenn Ruhe herr- „Aber man kann Ruhe nicht verordnen“, sagte Lange. Die SPD will auf einem Sonderparteitag am 22. April in Wiesbaden über die Nachfolge des zurückgetreten Parteichefs Martin Schulz entscheiden.
Derweil gibt es weitere Gegenkandidaten für Andrea Nahles – unter anderem Udo Schmitz (59) aus Stadland. Er selbst sagte der Ð, er rechne nicht mit einem Sieg. „Es wäre schon ein riesiger Erfolg, wenn Andrea Nahles in den zweiten Wahlgang müsste“, meinte Schmitz. Ziel sei es, ein Signal zu setzen.
DWS-Zt Udo Schmitz (59) möchte eine stärkere Einbindung der Mitglieder erreichen. Nur das könne die SPD retten.
RODENKIRCHEN – Vor 27 Jahren war Udo Schmitz einige Monate lang Redenschreiber des damaligen SPD-Bundesvorsitzenden Hans-Jochen Vogel. Jetzt greift er selbst nach dem Vorsitz der ältesten deutschen Volkspartei: Der 59-Jährige aus Rodenkirchen (Kreis Wesermarsch) will beim nächsten Parteitag gegen die vom Vorstand einstimmig nominierte Andrea Nahles antreten.
Udo wer? Selbst in seiner Heimatgemeinde Stadland ist Udo Schmitz nicht jedem ein Begriff. Erst im Januar 2016 ist er hierher gezogen, seit Mai 2017 führt er den SPD-Ortsverein. Im September 2016 erhielt er bei seiner Kandidatur für den Gemeinderat mit 21 Stimmen das schlechteste Ergebnis aller Bewerber.
Mit Martin Schulz
Und auch bei dieser Kandidatur rechnet er nicht mit einem Sieg. „Es wäre schon ein riesiger Erfolg, wenn Andrea Nahles in den zweiten Wahlgang müsste“, sagt er.
Sein Ziel sei es, ein Signal zu setzen. Schon seit Wochen treibt den Juristen, der von 1987 bis 1999 Mitarbeiter der SPD-Bundestagsfraktion am damaligen Regierungssitz Bonn war, der Zustand der SPD um. Das liegt sicherlich nicht zuletzt daran, dass Udo Schmitz den zurückgetretenen Parteivorsitzenden Martin Schulz noch von früher kennt: Im Bundestagswahlkampf 1980 – Helmut Schmidt gegen Franz-Josef Strauß – packten Schmitz und Schulz im Keller der Bonner SPDZentrale Wahlkampf-Pakete.
„Den letzten Ausschlag“habe der Plan gegeben, Andrea Nahles vom Bundesvorstand zur kommissarischen Parteivorsitzenden wählen zu lasse. „Das ist statutenwidrig“, stellte der Jurist fest, der derzeit an der Uni Bremen Sozialarbeiter in Strafrecht und Kriminologie sowie in Kinder-, Jugend- und Familienrecht unterrichtet.
Er formulierte einen Antrag an die SPD-Bundesschiedskommission, die Ernennung von Nahles zu verhindern, dem sich an diesem Montagabend der Vorstand des SPDUnterbezirks Wesermarsch einstimmig anschloss. Doch in Udo Schmitz, der in Flaesheim bei Haltern (Kreis Recklinghausen) aufgewachsen ist, rumorte es weiter.
Der hochgewachsene 59Jährige stammt aus einer SPD-Familie. Sein Großvater ist 1910 in die SPD eingetreten, sein Vater trat 1966 aus, als die Sozialdemokraten in die erste Große Koalition gingen. Er selbst besitzt das Parteibuch seit 1976.
Genossen überrascht
Am Dienstag trug die SPDFührung diesen Bedenken Rechnung, indem sie Olaf Scholz mit der Parteiführung betraute. Doch das reichte Udo Schmitz nicht, es rumorte weiter in ihn. Und am Mittwochabend verschickte er EMails und Whatsapps, in denen er seine Kandidatur für den Bundesvorsitz ankündigte. Er hatte sich zuvor mit ehemaligen Weggefährten aus Bonn abgesprochen, aber nicht mit seinem eigenen Ortsverein. „Dieser Schritt kam für mich überraschend“, sagt zum Beispiel der SPDFraktionsvorsitzende im Stadlander Rat, Siegmar Wollgam.
Udo Schmitz geht es darum, „ein Signal zu setzen“, wie er sagt. „Ich bin in großer Sorge um die SPD. Sie ist im freien Fall, und keiner öffnet den Bremsschirm.“Der Grund sei, dass sich die Parteiführung immer weiter von den Mitgliedern entferne. Diesen Trend wolle er als einfacher Ortsvereinsvorsitzender mit seiner Kandidatur stoppen helfen. Deshalb trete er als Mann der Basis an und unterstütze nicht etwa die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange, die als erste Gegenkandidatin ihren Hut in den Ring geworfen hatte.
„Wir sind die Basis, wir sind die Partei, und ihr seid es nicht“, findet der deutliche Worte in Richtung Parteivorstand. „Der Fisch stinkt vom Kopf her.“
Deshalb müsse es von unten nach oben eine Erneuerung der SPD geben. Ab Bezirksebene dürften Mandatsund Amtsträger keine Vorstandsmitglieder mehr sein. In den Unterbezirken – also den Kreisverbänden – sei dies kein Problem, weil dort die Mitglieder direkt bestimmten. Auch der oder die Vorsitzende solle mit Einbindung der Mitglieder gewählt werden – wie vor 25 Jahren Rudolf Scharping.
Am nächsten Montagabend tagt der SPD-Ortsverein Stadland, um sich mit dem Koalitionsvertrag zu befassen. Udo Schmitz setzt dabei auf Unterstützung seiner Mitglieder für die Kandidatur. Doch da kann Siegmar Wollgam noch keine Zusage geben: „Ich will mir eine seriöse Meinung bilden, und dazu brauche ich mehr Informationen – beispielsweise über Hintergründe, Beweggründe und Ziele der Kandidatur.“
Auch Karin Logemann aus Berne, Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des SPDUnterbezirks Wesermarsch, hält sich bedeckt. Es sei der „ureigene Entschluss“von Schmitz gewesen, sich zu bewerben. In seiner nächsten regulären Sitzung am Montag, 12. März, werde der Vorstand entscheiden, ob er die Kandidatur unterstützte. Ein Mitglied dieses Gremiums als gewählter Beisitzer: Udo Schmitz.