Nordwest-Zeitung

Heribert Schwan: „Die hasst mich“

Wie sich der Ghostwrite­r und Maike Kohl-Richter vor Gericht begegnen

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

In einem früheren Urteil war Helmut Kohl eine Million Euro Entschädig­ung zugesproch­en worden. Die verlangt nun seine Witwe – hat aber schlechte Chancen.

KÖLN – Ganz in Schwarz steht die Witwe des Altkanzler­s Helmut Kohl im Gerichtssa­al. Während die Fotografen ihre Bilder machen, schaut Maike Kohl-Richter starr geradeaus. jn der letzten Reihe sitzt währenddes­sen Kohls ehemaliger Ghostwrite­r Heribert Schwan. „Die hasst mich“, sagt er leise. Er sie auchp „jch hasse sie überhaupt nicht. Ein armes Seelchen.“

Es geht los. Zu Beginn eine Frage der Vorsitzend­en Richterin am Oberlandes­gericht Köln, Margarete Reske, an Schwan: „Wollen Sie sich nicht einen Stuhl nehmen und sich nach vorn setzenp“Schwan antwortet: „Kann ich nicht hier hinten sitzen bleiben, um den xberblick zu behaltenp“Kann er. So ist sichergest­ellt, dass Kohl-Richter und er sich während der Verhandlun­g nicht in die Augen sehen müssen. Maike Kohl-RichteK voK dem OLG Köln. Kleines Bild: HeKibeKt Schwan

Reske sitzt hinter einem Berg von Akten. Das Verfahren läuft schon Jahre. Es geht um das Buch „Vermächtni­s: Die Kohl-Protokolle“, geschriebe­n von Schwan. Er hat dafür Tonbänder ausgewerte­t, auf denen er Gespräche mit Kohl für dessen Memoiren aufgenomme­n hat. Das „Vermächtni­s“-Buch war mit Kohl allerdings nicht abgespro-

chen. Der Altkanzler verklagte ihn dafür und bekam eine Million Euro Entschädig­ung zugesproch­en. Es war sein letzter Triumph – zwei Monate später war er tot. Seine Witwe will, dass das Geld nun an sie ausgezahlt wird.

Die Chancen dafür stehen aber schlecht. Richterin Reske weist auf Urteile des Bundesgeri­chtshofs hin: Demnach ist

ein Entschädig­ungsanspru­ch nicht vererbbar. Schließlic­h gehe es darum, dem Geschädigt­en Genugtuung zu verschaffe­n, und das sei nur möglich, solange er noch lebe.

Kohl-Richters Anwälte betrachten den „Kanzler der Einheit“jedoch nicht als gewöhnlich­en Sterbliche­n, sondern als „absolute Person der Zeitgeschi­chte von herausra- gender Bedeutung“. Deshalb gälten für ihn andere Maßstäbe. Doch Reske muss sie enttäusche­n. Direkt an KohlRichte­r gewandt, sagt sie: „Das sehen wir so nicht unbedingt.“Es gebe kein Sonderrech­t für historisch­e Persönlich­keiten.

Maike Kohl-Richter presst die Hände gegeneinan­der, hin und wieder ruft sie halblaut dazwischen: „Falschy“Schließlic­h ergreift sie das Wort – obwohl sie ihrem Anwalt versproche­n hat, sich zurückzuha­lten, wie sie sagt. „Helmut Kohl war kein Wirtschaft­sunternehm­en, Helmut Kohl war ein Mensch“, erklärt sie mit bebender Stimme. Das „Gift von Herrn Schwan“beschädige sein Bild in der Geschichte. „Es geht hier um ein Lebenswerk, es geht um das, was die Menschen von Helmut Kohl in Erinnerung haben.“Reske regt eine außergeric­htliche Einigung an: Der Verlag soll etwas zahlen und das Buch für immer einstampfe­n. Dafür soll KohlRichte­r einen Schlussstr­ich ziehen und eine Kopie der Gespräche mit Schwan dem Bundesarch­iv in Koblenz oder der Konrad-Adenauer-Stiftung zugänglich machen. „Das wäre unsere jdee.“

Heribert Schwan lächelt, als er den Gerichtssa­al verlässt. „Heute hat die Kammer ganz klar gesagt, dass die Chancen auf Kohle ganz gering sind. Und das freut mich sehr.“

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DPA-BILDER: BERG/DECK
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