Wende im Prozess
Vorwurf des Totschlags gegen mutmaßlichen Todesschützen an Nadorster Straße vom Tisch
Im Prozess um die Todesschüsse an der Nadorster Straße hat es eine Wende gegeben. Der Richter hat den Hinweis gegeben, dass es sich bei der Tat nicht um Totschlag, sondern um Notwehr gehandelt haben könnte
Das Gericht sieht Hinweise, dass der Angeklagte bedroht worden sein könnte. Der 38-Jährige bleibt aber in Haft – zu seiner eigenen Sicherheit.
OLDENBURG – Dramatische Wende im Prozess um die tödlichen Schüsse an der Nadorster Straße: Der Vorsitzende Richter der Oldenburger Schwurgerichtskammer, Sebastian Bührmann, hat am Freitag den rechtlichen Hinweis erteilt, dass es sich um Notwehr gehandelt haben könnte. Am 27. Juli 2017 war ein 65-Jähriger in den Räumen einer Trockenbaufirma getötet worden.
Für den 38-jährigen Angeklagten ist der Vorwurf des Totschlags damit vom Tisch. Der Haftbefehl wurde entsprechend geändert. Er beinhaltet jetzt nur noch den Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffengesetz (Mindeststrafe sechs Monate Haft).
Der Angeklagte bleibt zunächst aber in Untersuchungshaft. Das ist für ihn wohl sicherer, sollen doch etliche Personen nicht gut auf ihn zu sprechen sein. Es geht um das spurlose Verschwinden des Deutsch-Kurden Rezan Cakici. Der 29-Jährige ist seit 3. Juli vermisst. Cakici war Mitglied eines Rocker-Clubs, hatte sich aber mit Clubmitgliedern überworfen. Auch dubiose Geschäfte werden ihm nachgesagt.
So oder so: Die Familie des Verschwundenen ist der Ansicht, dass der Angeklagte und zwei seiner Geschäftspartner (Teilhaber der TrockenbauFirma) mit dem Verschwinden Cakicis zu tun haben. Die beiden Geschäftspartner hatten sich in die Türkei abgesetzt. Es blieb als „Ansprechpartner“nur noch der jetzige Angeklagte.
Am Tattag hatte der Vater (60) des Vermissten auf ein Gespräch mit dem Angeklagten gedrängt. Wohl nur vordergründig sollte es sich um geschuldetes Geld drehen. Eigentlich ging es wohl nur um den Vermissten.
Zu dem Treffen hatte der 60-Jährige seinen fünf Jahre älteren Bruder, das spätere Opfer, mitgenommen. Am Freitag wurde bekannt, dass aber eigentlich der Cousin (38) des Vermissten mitkommen sollte. Der wohnt in Schweden und ist von der Familie Cakici zum „Sonderermittler“in Sachen Rezan ernannt worden. Der 38-Jährige hatte sich aber verspätet. Vor Gericht sagte er, zum Treffen mit dem Angeklagten habe er mit drei weiteren Männern anreisen wollen. Es sollte um Cakici gehen, nicht um Geld.
Zuvor hatte der 38-Jährige dem Angeklagten mehrmals bezüglich des Vermissten Vorhaltungen gemacht, dabei aber keine Antworten zum Verbleib des Verschwundenen bekommen. Die geplante Verstärkung für das Gespräch legte den Verdacht nahe, dass man dem Angeklagten nun mit Gewalt zur Rede stellen wollte. Da der „Sonderermittler“im Stau steckte, nahm Cakicis Vater, der damals eine Waffe dabei hatte, dann seinen Bruder mit zum Treffen.
Das Gericht schloss nicht aus, dass das spätere Opfer den Angeklagten angegriffen und der sich zunächst mit Warnschüssen und dann mit gezielten Schüssen zur Wehr gesetzt hatte.