Mühsa e Recherche endet in Grauzone
Jüdische Vorbesitzer von Bernhard ?inters „?ebstube“ermittelt – ?em steht das Bild zu?
Das großformatige Gemälde wurde 1934 unter Zwang ans Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte verkauft. Eine betagte Großnichte der Vorbesitzerin lebt heute in Südafrika.
OL1E7BUAG – Eine dunkle Vergangenheit haben alle Exponate in der aktuellen Ausstellung im Oldenburger Schloss. Auch ein Bild, das nach alphabetischer Anordnung unter dem Buchstaben W an der Wand hängt: W wie Bernhard Winter (1871–1964) oder W wie „Webstube“. Dass das großformatige Gemälde mit dem naturalistischen bäuerlichen Motiv nicht im Magazin vor sich hin dämmert, hat es seiner Herkunft zu verdanken. Denn genau um die geht es dem Provenienzforscher Marcus Kenzler.
Seit 2011 betreibt er seine Forschungen am Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, um die Geschichte von rund 40 000 Sammlungsobjekten aufzuarbeiten und potenziell vorhandenes NSRaubgut zu identifizieren. Die Ausstellung „Herkunft verpflichtet“im Schloss gibt Einblick in diese Fleißarbeit.
+Mölf „Fälle9
Zwölf „Fälle“liegen auf seinem Schreibtisch, die so weit aufgearbeitet sind, dass sie „zeitnah abgeschlossen werden können“, wie der 45-Jährige ankündigt. Einer davon ist Bernhard Winters Gemälde „Die Webstube“, das 1934 aus jüdischem Besitz angekauft wurde. Ein ziemlich klarer Fall sollte man meinen, aber so offen zutage liegen die Dinge eher selten.
Das Bild, entstanden 1896, ist eines der herausragenden Werke des Oldenburger Malers. In der Großen Berliner Kunst-Ausstellung von 1898 wurde er dafür mit der „Kleinen Goldmedaille“ausgezeichnet. Danach wird es kompliziert: Der „Verein der Kunstfreunde im Preußischen Staate“kauft das Bild für eine Verlosung von Kunstwerken unter seinen Mitgliedern. So gelangt es in den Besitz des Berliner Zahnarztes Dr. Alonzo Sylvester. Als dieser 1905 stirbt, wird es mit seinem Nachlass versteigert und von dem jüdischen Arzt Dr. Jacob Goldmann erworben.
Hier stößt die Recherche an Grenzen, denn im „Berliner Adreßbuch“von 1915 findet sich kein Hinweis mehr auf Goldmann. Sollte er im Ersten Weltkrieg gefallen sein? Doch Hinweise auf ihn finden sich in den tagebuchähnlichen Notizen von Winters Ehefrau Martha, die Kenzlers Kollegin im Oldenburger Stadtmuseum, Sabine Stührholdt, erforscht hat. Demnach emigriert Goldmann auf der Flucht vor den Nazis 1933 nach Paris, wo sich seine Spur
verliert. Kurz zuvor verkaufte er das Bild an Verwandte – ziemlich sicher an Alfred und Betty Berg in Oldenburg.
Dass Goldmann versuchte, das Bild über die Bergs in Oldenburg zu veräußern, liegt nach den Worten Kenzlers nahe, weil es dort einen Markt für den Oldenburger Künstler gab. Verkauft wurde das Bild jedenfalls im Februar 1934 von Cäcilie Steinthal, der Schwiegermutter von Alfred Berg, der Mitinhaber der Lederhandlung Steinthal in Oldenburg war.
FaBre Lösung
500 Reichsmark erhielt sie dafür vom damaligen Museumsdirektor Walter MüllerWulckow – kein Schleuderpreis, wie Kenzler sagt, aber auch nicht üppig. Zumindest muss es gereicht haben, um auch ihr 1937 die Flucht zu ermöglichen – über Bremerhaven und England nach Johannesburg/Südafrika. Tatsächlich gibt es dort Nachkommen und somit Erben des unter Zwang verkauften Bildes,
nämlich eine Großnichte von Cäcilie Steinthal, mit der Kenzler jetzt in Kontakt steht.
Die fast kriminalistischen Ermittlungen sind zwar am Ende, doch die entscheidenden Fragen nicht geklärt. Hat Cäcilie Steinthal das Bild für sich selbst erworben oder sollte sie es nur für den emigrierten Jacob Goldmann (oder dessen Witwe, falls er doch gefallen sein sollte) verkaufen? Immerhin hat sie sich nach wenigen Wochen von dem Bild wieder getrennt. An wen also soll es restituiert werden?
Eine Recherche, die in einer Grauzone endet, aus der wohl nur noch Zeitzeugen heraushelfen könnten. „Hundertprozentig wird man das nie aufklären“, sagt Kenzler. Ziel müsse daher eine möglichst faire Lösung sein, etwa ein Vertrag, der unter dem Vorbehalt abgeschlossen wird, dass sich nicht noch andere Erbberechtigte finden. Für den Provenienzforscher wäre das ein guter Abschluss – und eine von zwölf Akten fertig zum abheften.