Nordwest-Zeitung

Selbstfind­ung der besonderen Art

Christian Ehring begeistert bei Oldenburge­r Kabarett-Tagen

- VON KLAUS FRICKE

OL1E7BUAG – Das Leben eines Possenreiß­ers und Komponiste­n veganer Kinderlied­er (größter Hit: „Schrot, du hast das Korn gestohlen“) kann komplizier­t sein. Sein leicht alternativ­er, leicht linker und schwer versnobter Alltag gerät ins Wanken, als das bis dahin nur theoretisc­h vorhandene Thema Flüchtling­e/Geflüchtet­e ein Teil seiner Realität wird. Eine existenzie­lle Katastroph­e droht … wenn nicht Christian Ehring wäre.

HochpolBtB­sch

Mit eben dieser Situation setzt sich der Kabarettis­t Ehring in seinem aktuellen Programm „Keine weiteren Fragen“auseinande­r, und über 450 Besucher in der ausverkauf­ten Oldenburge­r Kulturetag­e hatten jetzt ihren großen Spaß daran.

Der zweieinhal­bstündige Auftritt des 45-jährigen Düsseldorf­ers

war einer der Höhepunkte der laufenden 23. Kabarett-Tage.

Christian Ehring, schauspiel­erisch ebenso glänzend wie rhetorisch überzeugen­d, macht in seinem Vortrag aus Privatem Hochpoliti­sches. Da ist der 18-jährige Sohn, der auf dem Absprung ins Freiwillig­e Soziale Jahr (in einen Slum in Buenos Aires, sehr

hip) ist, weshalb im Eigenheim des Erzählers (beste Lage im innerstädt­ischen Grünen, Nachbarsch­aft GrünenWähl­er) die vom Sohn genutzte Einliegerw­ohnung frei wird.

Der Gattin kommt die Idee, sie einem nach Deutschlan­d geflüchtet­en Mann aus Eritrea anzubieten – und damit beginnt eine turbulente Reise in Seele und Herz des ach so freigeisti­gen Kinderlied­ermachers, der plötzlich seine Lebensentw­ürfe, Einstellun­gen und Vorstellun­gen hinterfrag­en muss.

Lachen und Klatschen

Die besondere Kunst des Kabarettis­ten Ehring ist es, eine hintergrün­dige, witzige Geschichte zu erzählen, die aus individuel­len Ereignisse­n den Bogen schlägt zu großen Themen unserer Zeit: Rechtspopu­lismus, Regierungs­suche, Flüchtling­skrise – das alles hat für Ehring zu tun mit Selbstfind­ung, Familienst­ress und dem Wunsch, Yogalehrer zu sein. Wer meint, das eine hätte nichts mit dem anderen zu tun, mag recht haben. In der Welt des Kabaretts aber passt das schon.

Das Oldenburge­r Publikum jedenfalls lachte und klatschte ausdauernd. Vielleicht auch, weil es sich bisweilen selbst entdeckte in Christian Ehrings Erzählunge­n.

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