„Schwerfälliger Riese“wird 25 Jahre alt
;ie sich der russische Energiekonzern entwickelt hat – Sorge vor verschlafenen Trends
Gute aktuelle Zahlen belegen die beherrschende Marktposition. Experten sind dagegen skeptisch, ob der Konzern fit für die Zukunft ist.
MOSKAU/OLDENBURG – Die Führung des russischen Energieriesen Gazprom hat Deutschland und Europa zum 25-jährigen Firmenjubiläum fest im Blick. „Im vergangenen Jahr hat unser Unternehmen den absoluten Rekord beim Export von Gas nach Europa aufgestellt“, sagt Konzern-Vize Alexander Medwedew. Rund 194 Milliarden Kubikmeter habe Gazprom an Staaten vor allem in der EU verkauft – mehr als 40 Prozent seiner Förderung 2017.
Abhängig vom Kreml?
Auf Deutschland, Schlüsselmarkt in der EU, entfiel mehr als ein Viertel der Lieferungen. Das soll nach der Strategie des größten Energiekonzerns der Welt noch mehr werden, wenn die Ostseepipeline Nord Stream 2 gebaut ist.
Der Oldenburger Energieversorger EWE teilte auf Nachfrage dieser Zeitung mit, dass „die EWE mit Gazprom keine Gaslieferverträge abgeschlossen“hat. Jedoch bestehe zwischen EWE und der Gazprom-Handelsgesellschaft, der Gazprom Gasmarketing und Trading, ein Rahmenvertrag über Kurzfristhandel, hieß es. Darüber kön(rund Ein Arbeiter prüft die Installationen bei einer Gas-Kompressor-Station.
nen kurzfristig in beide Richtungen Gaseinkäufe oder -verkäufe erfolgen. „Solche Verträge hat EWE ebenfalls mit der Gazprom-Tochter Wingas abgeschlossen. Mit der Wingas-Tochter Astora kooperiert EWE zudem beim Erdgasspeicherprojekt in Jemgum“, hieß es.
Seit Jahren flankiert Gazprom sein Geschäft in Deutschland mit einem Sponsorenvertrag für den FußballBundesligisten Schalke 04 und setzt bei der Nord Stream AG auf Altkanzler Gerhard Schröder als Aushängeschild. Kritiker warnen vor einer gefährlichen Abhängigkeit vom Gaslieferanten unter KremlKontrolle. Der Staatskonzern
ist 1990 aus einem für die Gasindustrie zuständigen Sowjet-Ministerium hervorgegangen. Am 17. Februar 1993 folgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Heute kontrolliert Gazprom ein Geflecht aus Tochterfirmen auch in der Banken- und Medienbranche.
Zum Jubiläum lässt sich Präsident Wladimir Putin von der Konzernspitze persönlich über die Erfolge informieren. Doch die Sektkorken dürften in der Moskauer Zentrale dank des jüngsten Export-Allzeithochs schon vor der Feier geknallt haben. Der Marktanteil in Europa sei auf fast 35 Prozent gestiegen, sagte Medwedew vor Investoren. Bis
2035 rechnet Gazprom mit einer Steigerung seines Anteils in Europa auf bis zu 41 Prozent.
Gewinnzahlen für 2017 lagen zwar noch nicht vor, aber die Werte des dritten Quartals lassen Manager-Herzen höher schlagen: Mit 200 Milliarden Rubel (2,8 Mrd. Euro) hat sich das Ergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt, teilte Gazprom mit. Experten sehen einen günstigen Rubelkurs zum USDollar als Grund.
Hinter vorgehaltener Hand gehen Branchenkenner härter mit Gazprom ins Gericht. Die glänzenden Zahlen überstrahlten massive Probleme, heißt es: Zu viele Mitarbeiter 450000) und Korruptionsanfälligkeit sind Gründe für Ineffizienz, die den GasRiesen schwerfällig macht.
Über Jahre hatte Gazprom hohe Preise bei langen Laufzeiten diktiert. Die Kunden schluckten dies. Als aber 2006 und 2009 zwischen Russland und der Ukraine, dem wichtigsten Transitland für Gas in die EU, ein Streit eskalierte und Gazprom im Winter den Hahn zudrehte, schrillte in Westeuropa der Alarm. So festigte sich das Bild von Gazprom als geopolitische Waffe des Kremls, um Staaten unter Druck zu setzen.
Kritik an Preispolitik
Die Zeit der teuren Verträge ist in der EU vorbei. Der Preis wird nach einem komplexen Schlüssel durch Angebot und Nachfrage gebildet. Die Marktgesetze sorgen dafür, dass die Preise fallen, je mehr Gas in Europa ankommt. Gazproms Strategie ist, die Lieferungen zu erhöhen, um den Absatz zu steigern. Dazu kontrolliert Gazprom ein großes Netzwerk aus Röhren.
Kaum ins Gewicht fällt dagegen Flüssiggas (LNG). Es gibt eine LNG-Anlage auf der Pazifikinsel Sachalin, andere Projekte liegen auf Eis. Gerade LNG könnte Gazprom unter Druck setzen, denn die USA wollen langfristig große Mengen exportieren und eine Alternative zum russischen Pipeline-Gas bieten. LNG sei wegen hoher Kosten keine Konkurrenz, sagt GazpromManager Kirill Polous.