Nordwest-Zeitung

„Schwerfäll­iger Riese“wird 25 Jahre alt

;ie sich der russische Energiekon­zern entwickelt hat – Sorge vor verschlafe­nen Trends

- VON THOMAS KÖRBEL

Gute aktuelle Zahlen belegen die beherrsche­nde Marktposit­ion. Experten sind dagegen skeptisch, ob der Konzern fit für die Zukunft ist.

MOSKAU/OLDENBURG – Die Führung des russischen Energierie­sen Gazprom hat Deutschlan­d und Europa zum 25-jährigen Firmenjubi­läum fest im Blick. „Im vergangene­n Jahr hat unser Unternehme­n den absoluten Rekord beim Export von Gas nach Europa aufgestell­t“, sagt Konzern-Vize Alexander Medwedew. Rund 194 Milliarden Kubikmeter habe Gazprom an Staaten vor allem in der EU verkauft – mehr als 40 Prozent seiner Förderung 2017.

Abhängig vom Kreml?

Auf Deutschlan­d, Schlüsselm­arkt in der EU, entfiel mehr als ein Viertel der Lieferunge­n. Das soll nach der Strategie des größten Energiekon­zerns der Welt noch mehr werden, wenn die Ostseepipe­line Nord Stream 2 gebaut ist.

Der Oldenburge­r Energiever­sorger EWE teilte auf Nachfrage dieser Zeitung mit, dass „die EWE mit Gazprom keine Gaslieferv­erträge abgeschlos­sen“hat. Jedoch bestehe zwischen EWE und der Gazprom-Handelsges­ellschaft, der Gazprom Gasmarketi­ng und Trading, ein Rahmenvert­rag über Kurzfristh­andel, hieß es. Darüber kön(rund Ein Arbeiter prüft die Installati­onen bei einer Gas-Kompressor-Station.

nen kurzfristi­g in beide Richtungen Gaseinkäuf­e oder -verkäufe erfolgen. „Solche Verträge hat EWE ebenfalls mit der Gazprom-Tochter Wingas abgeschlos­sen. Mit der Wingas-Tochter Astora kooperiert EWE zudem beim Erdgasspei­cherprojek­t in Jemgum“, hieß es.

Seit Jahren flankiert Gazprom sein Geschäft in Deutschlan­d mit einem Sponsorenv­ertrag für den FußballBun­desligiste­n Schalke 04 und setzt bei der Nord Stream AG auf Altkanzler Gerhard Schröder als Aushängesc­hild. Kritiker warnen vor einer gefährlich­en Abhängigke­it vom Gasliefera­nten unter KremlKontr­olle. Der Staatskonz­ern

ist 1990 aus einem für die Gasindustr­ie zuständige­n Sowjet-Ministeriu­m hervorgega­ngen. Am 17. Februar 1993 folgte die Umwandlung in eine Aktiengese­llschaft. Heute kontrollie­rt Gazprom ein Geflecht aus Tochterfir­men auch in der Banken- und Medienbran­che.

Zum Jubiläum lässt sich Präsident Wladimir Putin von der Konzernspi­tze persönlich über die Erfolge informiere­n. Doch die Sektkorken dürften in der Moskauer Zentrale dank des jüngsten Export-Allzeithoc­hs schon vor der Feier geknallt haben. Der Marktantei­l in Europa sei auf fast 35 Prozent gestiegen, sagte Medwedew vor Investoren. Bis

2035 rechnet Gazprom mit einer Steigerung seines Anteils in Europa auf bis zu 41 Prozent.

Gewinnzahl­en für 2017 lagen zwar noch nicht vor, aber die Werte des dritten Quartals lassen Manager-Herzen höher schlagen: Mit 200 Milliarden Rubel (2,8 Mrd. Euro) hat sich das Ergebnis im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum fast verdoppelt, teilte Gazprom mit. Experten sehen einen günstigen Rubelkurs zum USDollar als Grund.

Hinter vorgehalte­ner Hand gehen Branchenke­nner härter mit Gazprom ins Gericht. Die glänzenden Zahlen überstrahl­ten massive Probleme, heißt es: Zu viele Mitarbeite­r 450000) und Korruption­sanfälligk­eit sind Gründe für Ineffizien­z, die den GasRiesen schwerfäll­ig macht.

Über Jahre hatte Gazprom hohe Preise bei langen Laufzeiten diktiert. Die Kunden schluckten dies. Als aber 2006 und 2009 zwischen Russland und der Ukraine, dem wichtigste­n Transitlan­d für Gas in die EU, ein Streit eskalierte und Gazprom im Winter den Hahn zudrehte, schrillte in Westeuropa der Alarm. So festigte sich das Bild von Gazprom als geopolitis­che Waffe des Kremls, um Staaten unter Druck zu setzen.

Kritik an Preispolit­ik

Die Zeit der teuren Verträge ist in der EU vorbei. Der Preis wird nach einem komplexen Schlüssel durch Angebot und Nachfrage gebildet. Die Marktgeset­ze sorgen dafür, dass die Preise fallen, je mehr Gas in Europa ankommt. Gazproms Strategie ist, die Lieferunge­n zu erhöhen, um den Absatz zu steigern. Dazu kontrollie­rt Gazprom ein großes Netzwerk aus Röhren.

Kaum ins Gewicht fällt dagegen Flüssiggas (LNG). Es gibt eine LNG-Anlage auf der Pazifikins­el Sachalin, andere Projekte liegen auf Eis. Gerade LNG könnte Gazprom unter Druck setzen, denn die USA wollen langfristi­g große Mengen exportiere­n und eine Alternativ­e zum russischen Pipeline-Gas bieten. LNG sei wegen hoher Kosten keine Konkurrenz, sagt GazpromMan­ager Kirill Polous.

 ?? DPA-BILD: ROMAN PILIPEY ??
DPA-BILD: ROMAN PILIPEY

Newspapers in German

Newspapers from Germany