Nordwest-Zeitung

Aus der Sporthalle ins Wohnzimmer

Bei Markus Farwick bekommen ausrangier­te Turnpferde eine neue Aufgabe unden in eutsc and und uropa

- VON WOLFGANG STELLJES

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BAKUM/HAMBURG Ein Altbau in Hamburg-Rothenbaum, dritter Stock. Markus Farwick wiegt Kaffee ab. Grammweise. „Kaffee ist zu einer Leidenscha­ft von mir geworden“, sagt der 33-Jährige. Nicht irgendein Kaffee, nein, dieser muss es sein: sortenrein, „so was wie ein Single Malt Whiskey. Der ist in New York und Tokio, in den Metropolen dieser Welt, gerade sehr angesagt.“Es scheint, als habe Markus Farwick das Oldenburge­r Münsterlan­d hinter sich gelassen.

Fund im Hinterhof

Einen großen Aktionsrad­ius hat er auch bei seiner zweiten Leidenscha­ft: den Möbeln. Natürlich auch hier nicht irgendwelc­he. Sondern Möbel aus ausrangier­ten Turngeräte­n. Seine Altbauwohn­ung, zugleich „Showroom“seiner Firma „Hardcrafte­d Hamburg“, steht voll davon. Lauter Musterstüc­ke. Ein Turnpferd, auf Sitzhöhe gekürzt. Ein Turnbock, der zum Hocker wurde. Ein Esstisch, dessen Beine vom Turnpferd stammen. Ein Turnkasten, um die Beine hochzulege­n.

Manchmal kommt jemand vorbei und schaut sich die Möbel an. Doch die meisten Kunden bestellen im Internet, in seinem Online-Store, sagt Farwick. Nur den Tisch mit den Beinen vom Turnpferd sucht man dort vergebens. Den findet man bislang nur auf Facebook und Instagram. Trotzdem hat der umtriebige Gründer ihn auch schon nach London und New York geliefert.

Die Anfänge liegen gut sieben Jahre zurück. „Die Idee kam, weil ich Zeit hatte, mit offenen Augen durch die Welt zu laufen.“Das war in Berlin. Seinen Bachelor hatte er gerade in der Tasche und den „Unternehme­nsgründerM­aster“noch vor sich. Es war Sommer, ein Wochenende, „ich hatte freie Zeit mit mir selbst“. Farwick erkundete den Kiez und die Hinterhöfe. Erfolgreic­h: Markus Farwick auf einem Turnpferd – den Medizinbal­l im Arm

nnd da stand er: ein Turnbock, unbehandel­t, ungekürzt. Einfach so, als Möbelstück in einem von diesen Pop-up-Stores, die vorübergeh­end in leerstehen­den Geschäftsr­äumen öffnen und nach zwei oder drei Wochen schon wieder weg sind. So einen Turnbock will ich haben, dachte sich Farwick, nur für mich.

Der Zufall wollte, dass er

jemanden kannte, der Turngeräte im Auftrag von Schulbehör­den reparierte. Und der nicht nur einen Turnbock hatte, sondern gleich 20 Geräte, auch Pferde. Farwick konnte sie alle kriegen, damals noch kostenlos. Und er nahm sie und lagerte sie in der Garage seiner Eltern ein. Und weil sein Vater sich das nicht dauerhaft ansehen wollte, bot Farwick sie im Internet bei

eBay an. Es dauerte nicht lange, und die Garage war leer.

Nun war es nur noch ein kleiner Schritt zum eigenen Online-Store. Ein befreundet­er Programmie­rer aus Steinfeld setzte eine Website auf, man kennt sich, auch vom „Südoldenbu­rger Stammtisch“, der einmal im Monat in der Hansestadt zusammenko­mmt. Farwick schaltete eine Anzeige und fand einen Im Trend: Auch in Jugendherb­ergen sind die Turnmöbel zu finden. – Der Renner: Sitzwürfel aus blauem Turnmatten­stoff (kleines Bild)

Sattler und einen Tischler – auch aus dem Oldenburge­r Münsterlan­d. Sie möbeln die alten Turngeräte auf.

Es wäre für ihn wirtschaft­licher, die Möbel in Polen fertigen zu lassen, sagt Farwick. Das würde nur einen Bruchteil kosten. Aber so passt es viel besser zur Story, die – wer wüsste das besser als der marketinge­rfahrene BWLer – rund um die Produkte auch immer erzählt werden will: „Leute, das ist zwar etwas teurer,

aber hier gemacht“.

Patina i t i!hti"

Der Renner sind „Cubes“, Sitzwürfel aus Turnmatten­stoff, vor allem der blaue für 249 Euro. Das teuerste Stück ist ein Tisch für 2990 Euro. Natürlich gibt es auch Privatpers­onen, die sich so etwas gönnen. Es sind jedoch vor allem Firmen, die ihre Büroräume mit Produkten von Farwick ausstatten. Der Social-Media-Riese Facebook zum Beispiel: die Deutschlan­d-Zentrale in Hamburg. Oder Adidas: ein neues Schulungsz­entrum. Die Abnehmer sitzen im gesamten deutschspr­achigen Raum, aber auch in Dänemark, Großbritan­nien, Frankreich und Spanien. Die Spuren vergangene­r Tage, auch sie gehören zur Story. Die Patina ist wichtig, sagt Farwick. Ein neues Turngerät würde er nicht loswerden. „Das will keiner haben.“

Leider können die Geräte selbst nicht sprechen. Sie würden Geschichte­n erzählen, von peinlichen Momenten und Angstschwe­iß, von persönlich­en Bestleistu­ngen und Glücksgefü­hlen. „Die, die früher keine gute Beziehung zum Schulsport hatten, sind heute die besten Kunden“, sagt Farwick. Er selbst mochte das Geräteturn­en, war gut in Sport, aber schlecht in Mathe. „Das wurde mir in der Schule nie näher gebracht.“

Mathe hat er erst während seines Studiums der Betriebswi­rtschaftsl­ehre verstanden. Das dann aber immerhin so gut, dass er sich um seine Zukunft keine Sorgen machen muss.

Über die Jahre hat er sich ein Netzwerk aufgebaut zu Schulbehör­den in ganz Deutschlan­d. „Das Turnpferd stirbt zwar aus, die Schulen bestellen es nicht mehr.“Aber Kasten und Medizinbal­l sind weiter im Einsatz – eine kaum versiegend­e Quelle.

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BILD: WOLFGANG STELLJES BILDER: DJH-LANDESVERB­AND WESTFALEN-LIPPE/LARS JACOBSEN
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