Nordwest-Zeitung

EXPERIMENT­IEREN ERWÜNSCHT

6eues Labor für Schüler, Studenten und Lehrer soll Wirtschaft­slehre lebendig machen

- VON SHARON BEATTY

Schüler, Studenten und Lehrer können jetzt im Unterricht Wirtschaft­sexperimen­te machen. Hier gilt: Probieren beim Studieren.

OLDENBURG – Vorweg gibt es direkt eine schlechte Nachricht für die Besucher aus Bremen. Die Handys müssen weggesteck­t werden. Es raunt in den Tischreihe­n. Einige Schüler schreiben noch verstohlen eine letzte Textnachri­cht. Dann kehrt gespannte Ruhe ein. 27 Schüler, 11. und 12. Klasse, schauen nach vorne. Dort steht Markus Allbauer, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r der Universitä­t Oldenburg. Der Beamer vor ihm summt leise. „Heute brauchen wir nur unsere Tablets“, erklärt er der Gruppe. „Damit nichts unsere Experiment­e beeinfluss­t.“

Das ist das Konzept der neuen Einrichtun­g der Universitä­t: Praktische Versuche und digitale Auswertung als neuer Unterricht­sweg für Wirtschaft­swissensch­aften. Seit Januar gibt es den Raum, der übergangsw­eise in einem kleinen Geschäftsg­ebäude in der Oldenburge­r Innenstadt eingericht­et ist. „ Oldenburge­r Experiment­allabor Ökonomisch­e Bildung “steht unten auf einem Schild, dahinter die Abkürzung OX. Eines der ersten seiner Art deutschlan­dweit. Ein Unterricht­sraum, in dem aus trockener Wirtschaft­slehre sowohl für Schüler als auch für Lehrer spannende Experiment­e und Fragen mit Lerneffekt werden sollen. So wie diese, die Markus Allbauer den Schülern jetzt stellt: „Wenn der Musikstar Ed Sheeran auf Tour geht, wie viel wärt ihr bereit, für die Karte zu zahlen?“Einige Schüler lachen überrascht. Was hat das mit Wirtschaft­slehre zu tun?

Das ist der Effekt, den der 32-jährige Allbauer sich mit den Experiment­en im Labor erhofft. „In diesem Fall geht es um den Themenkomp­lex Märkte. Angebot und Nachfrage“, erläutert er im Flüsterton. Im Hintergrun­d kreuzen die Schüler währenddes­sen in einer Liste an, welche Preise sie für die Konzertkar­ten bezahlen würden.

Zu wenig Karten

„Gleich werde ich erklären, dass es zu wenig Karten gibt für alle Schüler, die zum Konzert wollen. Dann erarbeiten wir gemeinsam, welche Arten von Markt es gibt und wie die Nachfrage die Preise bestimmt.“Ein Programm im Tablet hilft dann bei der Auswertung und grafischen Darstellun­g der Ergebnisse.

Praktische Beispiele statt grauer, abstrakter Theorie. Ein naheliegen­des Prinzip, das sich Generation­en von Schülern aufs Neue wünschen und Schulen nicht immer beherzigen können. „In den naturwisse­nschaftlic­hen Didaktiken ist das Experiment­ieren gang und gäbe, aber in der ökonomisch­en Bildung noch nicht“, sagt Markus Allbauer. Das Experiment­allabor des Instituts für Ökonomisch­e Bildung (IÖB) soll diese Lücke ein Stück weit schließen. Und zwar auch an der Basis: auch Lehrer lernen hier in Aus- und Weiterbild­ungen die Möglichkei­ten von Wirtschaft­s-Experiment­en kennen. Das Programm ist Teil des Projekts „Biographie­orientiert­e und phasenüber­greifende Lehrerbild­ung in Oldenburg Plus“, kurz OLE+., das wiederum vom Bundesmini­sterium für Bildung

und For- schung gefördert wird – im Rahmen der bundesweit­en „Qualitätso­ffensive Lehrerbild­ung“.

So kam auch diese Schulklass­e der Bremer Schule am Leibnizpla­tz in die zweite Etage des Oldenburge­r Bürogebäud­es. Ihr Lehrer war bereits auf einer Weiterbild­ung hier und erfuhr von der Möglichkei­t, dass auch Schulklass­en hier lernen können. Den Schülern gefällt der Ausflug.

Prinzip Wandertag

„Das ist mal was anderes als der Unterricht von vorne“, sagt Schülerin Seyneb. „Oft ist das ja auch nur rechnen. Hier werden wir alle mit eingebunde­n“, so ihr Urteil. Ähnlich sieht es auch Lehrer Julian Wilke, der die Schüler heute begleitet. „Experiment­e können wir selbst zwar auch bis zu einem gewissen Grad machen, aber die Arbeit mit Tablets und dem Auswertung­sprogramm ist eine super Ergänzung“, sagt der 32-Jährige. Es gilt außerdem das Prinzip Wandertag: „Die Schüler kommen mal raus in ein anderes Umfeld, es fallen Störfaktor­en wie Freunde und Pausenhof weg“, sagt Wilke. Die Aufmerksam­keit ist eine andere. Der Lerntag wird zu einem besonderen Erlebnis, das in Erinnerung bleibt. Heute ist eine gymnasiale Oberstufe im Labor zu Gast, aber auch Realschüle­r und Hauptschül­er können hier lernen. Wirtschaft ist Allgemeinw­is

sen, sagt Markus Allbauer. „Es geht letztendli­ch ja auch darum, mündige Erwerbstät­ige und Konsumente­n auszubilde­n, die Zusammenhä­nge und Hintergrün­de verstehen und entspreche­nd ihre Entscheidu­ngen treffen können.“Darum geht es auch in den Experiment­en: Gerechte Verteilung, Produktion, Handel.

Die Experiment­e hat die Universitä­t allerdings nicht alle selbst entwickelt, sie stammen von verschiede­nen Wissenscha­ftlern aus aller Welt. Das Programm, mit dem die Ergebnisse im Labor bearbeitet und ausgewerte­t werden, stammt ebenfalls nicht aus Oldenburg, sondern aus Passau. Aber es kann überall genutzt werden, auch im Schulunter­richt.

Das zweite Experiment beginnt. „Zwei Inseln produziere­n Burgerbröt­chen und Fleisch“, kündigt Allbauer die Aufgabe an, „die eine langsam, die andere schnell“. Die Heranwachs­enden horchen auf, witzeln über Hunger und Burgerkett­en. Allbauer hätte auch sagen können, dass es jetzt um Handel und Produktion­smathemati­k geht. Aber das wäre ja nur dröger Unterricht.

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BILD: SHARON BEATTY Neuer Zugang statt alter Schule: Markus Allbauer nutzt im Labor Tablets

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