Nordwest-Zeitung

Tödliche Schüsse: Urteil

Nach Todesschüs­sen an Nadorster Straße erkennt Gericht auf Notwehr – Weitere Drohungen

- VON FRANZ-JOSEF HÖFFMANN

Im Prozess um die tödlichen Schüsse auf einen 65Jährigen an der Nadorster Straße ist das Urteil gefallen: Der 38 Jahre alte Angeklagte muss für zweieinhal­b Jahre ins Gefängnis. Er handelte nach Einschätzu­ng der Schwurgeri­chtskammer in Notwehr. .

Dass der Streit um den vermissten Rezan Cakici mit dem Urteil zu Ende ist, scheint fraglich. Das legten Aussagen am Rande des Prozess nahe.

OLDENBURG – Die tödlichen Schüsse an der Nadorster Straße in Oldenburg auf einen 65-Jährigen am 27. Juli 2017 und die Attacke auf dessen fünf Jahre jüngeren Bruder hat das Gericht als Notwehr eingestuft. Die Oldenburge­r Schwurgeri­chtskammer unter Vorsitz von Sebastian Bührmann hat am Freitag den 38jährigen Angeklagte­n nur wegen Verstoßes gegen das Waffengese­tz schuldig gesprochen und zu einer Gefängniss­trafe von zweieinhal­b Jahren verurteilt. Mit dem Urteil erfüllte die Kammer den Antrag von Oberstaats­anwalt Florian Eiser.

Rechtlich gesehen seien zwar die Tatbeständ­e Totschlag, versuchter Totschlag und gefährlich­e Körperverl­etzung erfüllt, die Taten seien aber aufgrund einer Notwehrlag­e gerechtfer­tigt gewesen, sagte Richter Bührmann. Der Angeklagte, der in Haft bleibe, müsse nun aber damit leben, einen Menschen getötet zu haben.

Dreh- und Angelpunkt des ganzen Dramas ist das spurlose Verschwind­en des Deutsch-Kurden Rezan Cakici. Der 29-Jährige wird seit dem 3. Juli vorigen Jahres vermisst. Die Familie des Verschwund­enen ist der Überzeugun­g, dass der Angeklagte – Mitinhaber einer Trockenbau­firma an der Nadorster Straße – sowie zwei seiner Geschäftsp­artner mit dem Verschwind­en des Ex-RockerClub-Mitglieds Cakici zu tun haben. Die beiden Geschäftsp­artner hatten sich in die Türkei abgesetzt. Blieb noch der Angeklagte für eine persönlich­e Konfrontat­ion.

Der bei der Tat Schwerverl­etzte ist der Vater des 29-Jährigen Vermissten. Der Getötete war dessen Onkel. Cakicis Vater hat im jetzigen Prozess als Nebenkläge­r teilgenomm­en. Es sei wohl das Schlimmste, was passieren könne, wenn der eigene Sohn verschwund­en sei, sagte Richter Bührmann zu dem 60-Jährigen. Aber mit der Aktion gegen den Angeklagte­n seien Grenzen überschrit­ten worden, die man nicht hinnehmen werde.

Am Tattag sollte der Angeklagte in den Geschäftsr­äumen der Trockenbau­firma zur Rede gestellt werden. Der 60Jährige, der eine Waffe dabei hatte, hatte den Angeklagte­n zu einem letzten Gespräch gedrängt, seinen Bruder hatte er gleich mitgenomme­n.

Die Situation eskalierte. Die spätere Notwehrlag­e des Angeklagte­n wurde durch mehrere Indizien belegt. Einen Tag vor dem tödlichen Ereignis hatte der 38-Jährige der Polizei gemeldet, von der Familie Cakici ständig unter Druck gesetzt zu werden. Auch am Tattag, als die Situation außer Kontrolle geriet, hatte der Angeklagte versucht, die Polizei anzurufen. Der Hörer wurde ihm aber aus der and geschlagen. Den Feststellu­ngen zufolge hatte der später Getötete den Angeklagte­n dann mit einem Messer bedroht. Der Angeklagte wich zurück, zückte seine Waffe und gab zwei Warnschüss­e in den Boden ab. Der 65-Jährige kam immer näher. Er war nur noch 50 bis 80 Zentimeter entfernt, da schoss der Angeklagte das Magazin leer. Er traf den 65-Jährigen tödlich. Auf Cakicis Vater schlug er dann mit der Waffe ein, weil dieser zu seiner eigenen Waffe greifen wollte.

Richter Bührmann kritisiert­e scharf, dass alle Beteiligte­n wie selbstvers­tändlich bewaffnet seien. Man werde das in Oldenburg nicht dulden. Kehrt nach dem Urteil nun Frieden ein? Wohl kaum. Cakicis Vater sagte zu dem Angeklagte­n: „Du bist der Mörder meines Bruders und meines Sohnes. Ich werde dich 100 Jahre lang verfolgen.“

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