Die Suche nach Spitzenkandidaten für Spitzenämter
Ab 2019 wird ein neuer EU-Kommissionspräsident und ein neuer EU-Kommissar gebracht
BRÜSSEL – Das deutsche Wort „Spitzenkandidat“hat es in der Europäischen Union zur sprachübergreifenden Berühmtheit gebracht, fast so bekannt wie „Kindergarten“oder „Zeitgeist“. Allerdings verbinden sich mit dem Begriff heftige Kontroversen, die auf dem EU-Sondergipfel am Freitag in Brüssel nicht ausgeräumt wurden.
Gesucht wird ein Nachfolger von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der 2019 aufhören wird. Derzeit kursieren in Brüssel vor allem drei Namen: c MICHEL BARNIER
Der frühere EU-Binnen-
Iirktkommissar und französische Außenminister profiliert sich derzeit als im Ton verbindlicher, in der Sache jedoch harter EU-Chefunterhändler in den Brexit-Gesprächen. Das Timing könnte passen: Großbritannien wird die EU voraussichtlich im März 2019 verlassen, bis dahin sollen die Verhandlungen abgewickelt sein. Ein erfolgreicher Abschluss wäre für den 67Jährigen aber wohl Voraussetzung für höhere Aufgaben. c MARGRETHE VESTAGER
Die liberale Dänin und aktuelle EU-Wettbewerbskommissarin könnte dann Chancen für die Juncker-Nachfolge haben, wenn Barnier oder sonstwer als EVP-Spitzenkandidat keine Mehrheit bekommt. In der aktuellen EU-Kommis-
sion zählt die 49-Jährige zu den populärsten Figuren. In ihren Auseinandersetzungen mit Großkonzernen wie Apple und Google hat sie sich breite Anerkennung und den Ruf als furchtlose Kämpferin erarbeitet. c FEDERICA MOGHERINI
Auch der Name der derzeitigen EU-Außenbeauftragten fällt immer wieder. Die frühere italienische Außenministerin hat den Ruf, die Dinge oft positiver zu sehen, als sie vielleicht teilweise sind. Kritiker werfen der 44-Jährigen daher Gutgläubigkeit vor. Hinzu kommt, dass ihre sozialdemokratische Partei PD derzeit daheim vor erheblichen Schwierigkeiten steht. Das dürfte ihre Chancen auf den Posten etwas schmälern.
Aber damit nicht genug: Für die neue Kommission muss auch ein deutscher Vertreter und Nachfolger für Haushaltskommissar Günther Oettinger gefunden werden. Die Union dürfte, das hat sie in den Koalitionsverhandlungen klargemacht, auf einen eigenen Kandidaten bestehen. Im Gespräch sind ausgerechnet zwei Namen, die in einer neuen Regierung eine wichtige Rolle spielen: c PETER ALTMAIER
Der bisherige Kanzleramtsminister, geschäftsführende Finanzminister und mögliche Wirtschaftsminister einer neuen Groko, ist als EU-Beamter beurlaubt. Der 59-Jährige liebt Brüssel, hat dort gelebt, und könnte sich einen Wechsel gut vorstellen. Bei
seinen Auftritten bei der Eurogruppe und bei den EUFinanzministern brilliert er mit seiner Mehrsprachigkeit. Das müsste einen Eintritt ins Kabinett Merkel nicht behindern, bis zur Neubesetzung der Kommission wird es mindestens bis Ende des Jahres 2019 dauern. c URSULA VON DER LEYEN
Die bisherige Verteidigungsministerin ist sogar in Brüssel geboren und dort sechs Jahre in die Schule gegangen. Über die Ambitionen der 59-Jährigen für die EU-Kommission gibt es verschiedene Einschätzungen. Zuletzt wurde sie auch als Nachfolgerin von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg genannt. Das wäre auch in Brüssel – und könnte ihr noch besser gefallen.