Nordwest-Zeitung

Der Zauber des Live-Sports

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Gestern lag ich krank im Bett als mein Handy ‚pling’ machte. Eine PushNachri­cht mit dem Inhalt, dass das deutsche Eishockeyt­eam bei Olympia kurz vor einer Sensation steht und im Halbfinale gegen Kanada mit einer Führung ins letzte Drittel geht.

Eishockey ist absolut nicht meine Sportart. Dennoch fühlte ich mich plötzlich vom Ehrgeiz gepackt, um bei dieser möglichen Sensation live dabei zu sein. Ich wechselte aus dem Bett rüber auf das Sofa vor den Fernseher.

Mit einer spürbaren Anspannung fieberte ich im wahrsten Sinne des Wortes mit und bei der Schlusssir­ene brach es aus mir heraus, dass meine Kinder, die gerade zuhause eintrudelt­en, mich mit einem Gesichtsau­sdruck anschauten, der sagen wollte: Die Mama spinnt mal wieder ein bisschen!

Der Sport und die Emotionen. Das ist eine Symbiose, eine Einheit, die alles überleben wird. Weil alles möglich scheint. Die besondere Faszinatio­n des Sports hat für mich zwei wesentlich­e Charaktere­igenschaft­en.

Zum einen ist es das liveErlebn­is. Die Unmittelba­rkeit. Die Einmaligke­it. Das Jetzt. Es gibt keinen zweiten Versuch. In dieser Sekunde schaue ich live zu was passiert. Null oder eins. Wo gibt es das sonst schon noch in einer Zeit, in der – abgesehen von der älteren Generation – kaum noch jemand live Fernsehen schaut, sondern man Tag und Nacht Zugriff auf tausende von Serien, Filmen, Dokumentat­ionen hat?

Eine Zeit also, in der jeder für sich selbst Regie führt was den Medienkons­um angeht. Serien, die man schaut oder wegschläft und einfach zurückscro­llt und wieder von vorne anfängt. Morgens, mittags, abends , zuhause, unterwegs... überall. Nur nicht im Sport. Der Sport führt seine eigene Regie.

Es gibt minuziöse Zeitpläne in Fernost und feste Anstoßzeit­en bei der FußballWM demnächst in Russland. So feste und so wichtige Termine mit gesellscha­ftlicher Bedeutung, dass sogar die Lärmschutz­regelungen für das Public Viewing nach 22 Uhr gelockert werden sollen. Die Minister im Bundeskabi­nett haben bereits dafür abgestimmt.

Im Leben würde ich nicht auf die Idee kommen, mir ein WM-Spiel oder das Eishockey-Viertelfin­ale Deutschlan­d-Schweden nochmals in voller Länge anzuschaue­n. Sport nachzuscha­uen macht schlicht keinen Sinn. Das Ergebnis wäre vorweggeno­mmen, die Spannung wäre futsch. Sport muss live erlebt werden. Live ist das Leben und ganz besonders das Sport-(Er)leben. Das ist der Zauber.

Und die andere Magie des Sports ist seine Unberechen­barkeit. Es gibt Überraschu­ngen. Immer wieder. Überall. Auch bei den Olympische­n Spielen. Und das ist gut so. Von ihnen lebt der Sport genauso wie von seinem liveCharak­ter.

Nichts gegen Laura Dahlmeier. Aber wenn mich das ‚pling’ meines Handys mit einer Push-Nachricht und dem Inhalt erreicht hätte: Biathletin Laura Dahlmeier auf dem Weg zur nächsten Goldmedail­le.

Ich wäre ganz sicher in meinem Bettchen liegen geblieben und hätte weitergesc­hlafen. Und zwar mit einem sehr angenehmen Ruhepuls. Wie schön, dass es nicht so war!

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