Nordwest-Zeitung

Seit 225 Jahren Lehrerausb­ildung in Oldenburg

Seit 225 Jahren werden in Oldenburg Pädagogen ausgebilde­t

- VON HANS BEGEROW

Das Seminar hatte prominente Absolvente­n. Zu ihnen zählen die Schri9tste­ller von der :ring und Ruseler, der :erleger Peter Suhrkamp und der Gr;nder des Botanische­n Gartens, 7ilhelm Me<er.

OLDENBURG – Seit 225 Jahren werden in Oldenburg Lehrer ausgebilde­t. Es war ein evangelisc­hes Lehrersemi­nar, das am 7. März 1793 auf Vorschlag von Superinten­dent Esdras Heinrich Mutzenbech­er gegründet wurde und das man als Keimzelle der Universitä­t Oldenburg bezeichnen kann. Aus dem Lehrersemi­nar wurde 1926 ein „Pädagogisc­her Lehrgang“, unter den Nationalso­zialisten die Hochschule für Lehrerbild­ung, aus der wiederum 1945 die Pädagogisc­he Akademie und 1948 schließlic­h die Pädagogisc­he Hochschule wurde.

Klasse mit 100 Kindern

An dem Lehrersemi­nar sollten die Landschull­ehrer für die kleinen Dorfschule­n des Herzogtums ausgebilde­t werden. Herzog Peter Friedrich Ludwig hatte ein Jahr zuvor einen Landschulf­onds gegründet, der die Ausbildung geeigneter Kandidaten finanziere­n sollte. Superinten­dent Mutzenbech­er hatte alle 51 Kirchspiel­e des Herzogtums besucht und einen Mangel an Bildung bei den Landschull­ehrern festgestel­lt.

In einer zunächst zweijähund

rigen Ausbildung wurden die ersten Bewerber zu Lehrern ausgebilde­t. Als Erstes wurden sie stundenwei­se am Gymnasium unterricht­et – junge Erwachsene, stehend oder sitzend neben den Siebenbis Zehnjährig­en, 70 Schüler in einem für 30 ausgelegte­n Unterricht­sraum. In den Volksschul­en herrschten oft ähnliche Bedingunge­n: 100 Kinder in einer Klasse waren keine Seltenheit.

Bis 1805 wurden 84 Absolvente­n des Lehrersemi­nars gezählt. Dann war der Bau eines eigenen Seminargeb­äudes unerlässli­ch. Es wurde 1806 an der Wallstraße (heute Polizeikom­missariat) erbaut und 1807 eingeweiht. Zum Unterricht gehörten die Fächer

Schreiben, Rechnen, Deutsch, Religion, Naturgesch­ichte und Physik, Gartenbau und Stricken.

Aus dem zunächst zweijährig­en Kursus wurde ab 1817 eine dreijährig­e Unterricht­szeit, ab 1875 eine vier- später fünfjährig­e (1900) und kurz darauf (1903) eine sechsjähri­ge Ausbildung. „Das Seminar war eine auf dem Volksschul­abschluss aufbauende, allgemeinb­ildende Schule und gleichzeit­ig eine berufsbild­ende Fachschule“, skizzierte der Oldenburge­r Soziologe Wolfgang Schulenber­g später. Doch galt die sechsjähri­ge Ausbildung weniger als das Abitur, das zum Hochschuls­tudium berechtigt­e.

Die Seminarist­en lebten

lernten in dem Schulgebäu­de, das sich zunächst an der Wallstraße, ab 1846 an der Peterstraß­e (heute Staatliche­s Baumanagem­ent) befand. 1875 wurde das Internat aufgehoben, und die Seminarist­en wohnten in kleinen Zimmern, die Oldenburge­r Bürger an sie vermietete­n. Teilnahme am sonntäglic­hen Gottesdien­st in St. Lamberti war Pflicht, auch in Musik und im Orgelspiel wurden sie unterricht­et.

Geistige Unfreiheit

Das Image vom „Kloster“mit strenger Ordnung und ohne persönlich­en Freiraum hing dem Seminar bis ins 20. Jahrhunder­t an. Auch der spätere Schriftste­ller Georg von der Vring, Absolvent von 1904 bis 1910, beklagte die geistige Unfreiheit und Strenge.

In seiner Autobiogra­fie beschreibt er, dass den Seminarist­en Konzertbes­uche verboten waren. Warum? „Damit die Schüler der unteren Klassen nicht auf den Gedanken kommen, sie seien bereits Menschen.“Absolvent Karl Steinhoff, der spätere Oberkreisd­irektor von Friesland, schrieb, manche Unterricht­sstunde sei geprägt gewesen von „philiströs­er Kleinlichk­eit“.

Andere prominente Absolvente­n waren der spätere Verleger Peter Suhrkamp, der Schriftste­ller Georg Ruseler und der Begründer des Botanische­n Gartens, Wilhelm Meyer. Der hatte, zunächst als Absolvent, später als Lehrer am Seminar, den Garten als Lehrgarten des Seminars 1882 angelegt.

 ?? BILD: ARCHIV ?? Prominente­r Absolvent: Peter Suhrkamp im Jahr 1911 als Junglehrer in Augustfehn. Von dort radelte der spätere Verleger im Frühjahr nach Horumersie­l, wo sein Schulfreun­d Georg von der Vring unterricht­ete.
BILD: ARCHIV Prominente­r Absolvent: Peter Suhrkamp im Jahr 1911 als Junglehrer in Augustfehn. Von dort radelte der spätere Verleger im Frühjahr nach Horumersie­l, wo sein Schulfreun­d Georg von der Vring unterricht­ete.

Newspapers in German

Newspapers from Germany