Nordwest-Zeitung

Faszinatio­n sinkt

- VON HAUKE RICHTERS

Anfang der 1990er-Jahre überarbeit­ete das Internatio­nale Olympische Komitee seinen Zeitplan. Sommer- und Winterspie­le wurden noch weiter voneinande­r getrennt, fortan lagen nicht nur einige Monate zwischen diesen beiden Großverans­taltungen, sondern rund zwei Jahre. Das sollte die Organisati­on erleichter­n und dem jeweiligen Ereignis durch eine exklusiver­e Insellage noch mehr Aufmerksam­keit verschaffe­n.

Und genau das ist vermutlich das Problem. Die nun zu Ende gegangenen Winterspie­le in Pyeongchan­g waren zweifellos hervorrage­nd organisier­t. Und aus sportliche­r Sicht bestach die deutsche Mannschaft mit einer sehr ansehnlich­en Medaillens­ammlung, die andere Sportnatio­nen vor Neid erblassen ließ. Aber der viel zitierte Funke, der sprang nur sehr selten über die lange Strecke von mehreren Tausend Kilometern nach Deutschlan­d über. Die Eishockeym­annschaft entfachte in den Hochburgen dieser Sportart, die überwiegen­d im Süden und Westen Deutschlan­ds liegen, hier und da eine Euphorie. Bei vielen anderen erfolgreic­hen Sportlern, die fraglos einen hohen Aufwand betreiben, fühlte man sich aber an die Aussage von Andy Warhol erinnert, der einst davon sprach, dass in Zukunft jeder einmal für 15 Minuten berühmt sein werde. Jubel mit Nationalfl­agge bei der Entscheidu­ng auf Schnee und Eis, kurz darauf Jubel bei der sogenannte­n Blumen-Zeremonie und am Tag darauf noch einmal Jubel bei der Siegerehru­ng mit Nationalhy­mne – und dann der Nächste bitte.

Olympia ist inzwischen ein durchgesty­ltes Ereignis geworden, bei dem alles in Häppchen und leicht verdaulich serviert wird. Der Zuschauer muss sich kaum noch etwas erarbeiten, sondern bekommt sofort aus zig Kameraposi­tionen alles erklärt. Wenn einst bei Sportübert­ragungen aus Südamerika der Reporter per Telefonlei­tung berichtete, und es dabei knackte und rauschte, konnte der Zuschauer die Entfernung spüren. Heute wird in HD-Qualität sofort aufgelöst, warum nun welche Aktion zu welchem Ergebnis geführt hat. Diese Entwicklun­g nennen einige Profession­alisierung. Andere mögen sie als Grund dafür sehen, dass die Faszinatio­n nachlässt.

@ Den Autor erreichen Sie unter Richters@infoautor.de

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