Nordwest-Zeitung

Eine Woche voller Weichenste­llungen

So will Premiermin­isterin Theresa May den Brexit vorantreib­en

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Endlich kommt Bewegung in den Brexit. In dieser Woche darf man entscheide­nde Weichenste­llungen erwarten. Am Dienstag will Premiermin­isterin Theresa May von ihrem Kabinett das grüne Licht für eine vereinbart­e Position bekommen, wie das künftige Verhältnis zur Europäisch­en Union aussehen soll. In einer Grundsatzr­ede am kommenden Freitag, so die Planung, soll die Premiermin­isterin dann die Handelsbez­iehung nach dem Brexit detaillier­t skizzieren.

Mehr als 20 Monate nach der Referendum­s-Entscheidu­ng der Briten für den Austritt besteht immer noch Unklarheit über den sogenannte­n Endzustand. Auf dem Kontinent geht die Sorge um, dass Großbritan­nien „sein Wirtschaft­smodell ändern könnte“, wie es einmal Finanzmini­ster Philip Hamabweich­en, mond als Möglichkei­t in den Raum gestellt hatte. Gemeint war, dass das Königreich zu einem Niedrig-Steuerland mit stark reduzierte­n regulatori­schen Anforderun­gen würde. Gepaart mit einer extrem liberalen

Zollpoliti­k, laxeren Produktsta­ndards und gelockerte­n Aufsichtsr­egeln sähe das Land sein ökonomisch­es Heil in direkter Konkurrenz zur EU. Ein solcher Endzustand, auch als „Singapur am Westrand Europas“bezeichnet, wäre das eine Extrem. Das andere wäre das sogenannte Norwegen-Modell: Enge Angleichun­g der Wirtschaft­smodelle, Übernahme der EU-Regulierun­g ohne Mitsprache­recht. Irgendwo zwischen diesen beiden Polen will Theresa May ihre Position definieren.

Sicher ist, dass die Premiermin­isterin keine volle regulatori­sche Angleichun­g anstrebt, die ja bedeuten würde, dass Großbritan­nien sämtliche Standards, Regularien und Vorschrift­en der EU übernimmt, ohne das Recht zur Mitgestalt­ung zu haben. Stattdesse­n verfolgt sie einen sogenannte­n Drei-Körbe-Ansatz, wonach die Anbindung an Brüssel je nach Wirtschaft­ssektor sehr eng, mäßig eng oder gar nicht stattfinde­n soll. May will eine partielle Divergenz: In Bereichen wie Landwirtsc­haft, Fischerei oder Finanzwirt­schaft möchte man von den EU-Vorgaben während man in anderen Sektoren, wie der Autobranch­e oder dem Datenausta­usch, auf Linie bleibt. Sie strebt Handelsbez­iehungen an, die nicht auf eine Zollunion hinauslauf­en, sondern auf eine Zoll-Partnersch­aft, die nach ihren Vorstellun­gen für das Königreich maßgeschne­idert werden. Es ist eine Kompromiss­lösung, die die Forderung der BrexitFans von „Kontrolle zurückgewi­nnen“erfüllen, gleichzeit­ig aber auch die Europafreu­nde befriedige­n soll.

Selbst wenn Mays Ansatz eine Lösung für den Richtungss­treit in ihrer eigenen Partei sein könnte, so ist doch fraglich, ob sich die EU mit ihrem Begehren anfreunden kann. Der EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier hat einen Drei-Körbe-Ansatz schon als „Rosinenpic­kerei“bezeichnet.

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Wittmann. Der London-Korrespond­ent berichtet für diese Zeitung über die britische Politik. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de
Autor dieses Beitrages ist Jochen Wittmann. Der London-Korrespond­ent berichtet für diese Zeitung über die britische Politik. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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