Dllein unter Männern
Welche Rolle Frauen für die AfD spielen
Von Männern für Männer – so wirkt die AfD. Zugleich mischen Frauen kräftig mit. Und die entsprechen nicht dem Typ harmloses Mütterchen.
BERLIN
Drei Nasenbrüche hat Nicole Höchst beim Boxen kassiert. Die 48-Jährige sitzt als Abgeordnete der AfD seit Oktober im Bundestag. Auf die Frage, ob sie sportlich jeden einzelnen ihrer 82 männlichen Kollegen in der Fraktion auf den Boden werfen könne, antwortet die Frau im schwarzen Lederrock: „Ich könnte jeden von diesen Männern töten.“Kurzes Lächeln. Dann ergänzt sie: „Ich will es aber nicht.“
Ihre Partei, die AfD, ist zahlenmäßig vor allem eine Angelegenheit von Männern für Männer. Im rechten Spektrum keine Überraschung. Trotzdem mischen einige Frauen ganz vorne in der AfD mit, allen voran Frontfrau Alice Weidel und Vize-Fraktionschefin Beatrix von Storch. Doch statt weiblicher Seilschaften findet man bei den Rechtspopulisten eher Einzelkämpferinnen.
Parteisprecher Christian Lüth sagt, aktuell seien etwa 13 Prozent der knapp 29 000 Parteimitglieder weiblich. Damit liegt der Frauen-Anteil noch weit unter dem Wert der CSU. Bei der Bundestagswahl im September machten zudem deutlich mehr Männer ihr Kreuz bei der AfD – nämlich 16 Prozent. Von den Wählerinnen stimmten nur neun Prozent für die AfD. –
Papa bekommt nicht mehr das größte Schnitzel
Diese Zahlen zeigen: Zur AfD fühlen sich eher Männer hingezogen. Die Psychologin Beate Küpper glaubt, dass sie vor allem für eine Gruppe attraktiv ist: die „kulturellen Modernisierungsverlierer“. Für sie seien das traditionelle Frauenbild und der Anti-Asyl-Kurs verlockend. Mit Armut oder „Abgehängtsein“habe das nichts zu tun, betont die Professorin von der Hochschule Niederrhein. Es gehe darum, Privilegien nicht teilen zu wollen, sei es mit Frauen oder mit Migranten: „Es sind Männer, die erleben, Papa kriegt nicht mehr automatisch das größte Schnitzel.“
Bei diesem Typ Mann dürften auch die Motive der AfDKampagne der Bundestagswahl 2017 verfangen haben. Ein Plakat mit dem Spruch „,Burkas?‘ Wir steh’n auf Bikinis“zeigte drei knapp bekleidete Frauen. Auf einem anderen lag eine Frau mit Babybauch. Slogan: „,Neue Deutsche?‘ Machen wir selber.“
Ausgedacht hat sich die Kampagne der Werber Thor Kunkel. Im rechten Blog „Sezession“beklagte er kürzlich den Zustand der einheimischen Männer („das deutsche Weichei“) und der Bundesrepublik (der „marode HippieStaat“). Damit ist er ganz nah bei Björn Höcke. Der Gründer des rechtsnationalen AfD-Flügels fordert: „Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken.“
Kunkels Artikel dreht sich um sexuelle Übergriffe muslimischer Migranten auf Frauen, deutsche Frauen. Derartige Vorfälle macht die AfD auch im Bundestag zu einem ihrer Hauptthemen. Sie sind ein zentrales Argument, mit dem die AfD um weibliche Wähler wirbt. Die Partei verkauft sich als Schutzmacht für deutsche Frauen, die sich belästigt oder unterdrückt fühlen von männlichen Zuwanderern.
Die Bundestagsabgeordnete Mariana Harder-Kühnel (43) sagt: „Wir wollen bei den Frauen das Bewusstsein wecken, dass ihre über Jahrhunderte erkämpften Freiheiten und Rechte durch die Zuwanderung von Menschen aus Kulturkreisen, in denen teilweise archaische Vorstellungen von der Rolle der Frau herrschen, in Gefahr sind.“Männer und Frauen in der Partei – hier eint sie das gemeinsame Feindbild.
„Der Antifeminismus und die Ablehnung des Islam, diese beiden Ideen haben eine Scharnierfunktion zwischen Männern und Frauen innerhalb der AfD und auch zwischen der AfD und der Gesellschaft“, analysiert die Rechtsextremismus-Forscherin Esther Lehnert von der Berliner Alice Salomon Hochschule. Jenseits dieser Übereinstimmung gibt es in der AfD häufig Streitpunkte, bei denen sich beide Geschlechter in unterschiedlichen Lagern wiederfinden. Und die wenigen Politikerinnen ziehen oft den Kürzeren. Ein Beispiel: Im Programm zur Bundestagswahl kommt das Wort Frau extrem selten vor. Zu Männern heißt es jedoch: „Einer gezielten Politik für Männer und Väter hat sich bislang keine Partei angenommen.“Die AfD verspricht: „Wir wollen uns deshalb für die Rechte von Vätern starkmachen.“
Die Politikerinnen ziehen oft den Kürzeren
Harte Auseinandersetzungen gab es auf einem Parteitag in Köln um die Unterstützung für alleinerziehende Mütter. Diese wird vor allem von jüngeren AfD-Männern infrage gestellt. Mehrere weibliche Parteimitglieder mittleren Alters hielten in Köln massiv dagegen. Ohne viel Erfolg. Am Schluss wurde beschlossen, dass Alleinerziehende zwar Hilfe vom Staat erhalten sollten, allerdings nur, „wenn sie den anderen Elternteil nicht aus der Teilhabe an der Erziehungsverantwortung und praktischen Erziehungsleistung hinausdrängen“. Organisationen, die „Einelternfamilien“als normalen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf propagierten, sollten von Unterstützung ausgenommen werden.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner macht das fassungslos. Sie sagt: „Das ist einfach krass frauenverachtend, aber auch familienverachtend.“Mit den AfD-Frauen hat Brantner noch kein Wort gewechselt. Sie sagt, weibliche Abgeordnete der Partei, die sie im Plenum gehört habe, seien „sehr aggressiv“gewesen.
Vielleicht müssen Frauen in der AfD aber auch aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt sein. Einige AfD-Politiker sagen, die Mitglieder würden in der Gesellschaft angefeindet, gelegentlich auch von Linksradikalen attackiert. Das schrecke viele Frauen ab. „Die Diskriminierung in der Gesellschaft, das muss man aushalten können“, sagt Verena Hartmann aus Sachsen. Sie hat aber auch in der eigenen Fraktion schon einstecken müssen. Jens Maier vom rechtsnationalen Flügel drohte der Ex-Polizistin: „Wir machen dich fertig!“
Sie nennt ihn Chef, er nennt sie Hasi
Der aktuellen #MeToo-Debatte über Sexismus gegen Frauen kann die Männerpartei AfD nichts abgewinnen. Deshalb kam es bei vielen männlichen Delegierten nicht gut an, als die bayerische Bundestagsabgeordnete Corinna Miazga (34) im Dezember beim Parteitag in Hannover erzählte, ihr Parteikollege Petr Bystron (45) habe sie im Wahlkampf darauf aufmerksam gemacht, „dass Frauen wie ich eigentlich besser an einer Stange tanzen sollten“. Für die stellvertretende Vorsitzende der Bayern-AfD, Katrin Ebner-Steiner (39), ist Bystron „ein toller Parteifreund und Weggefährte“: „Ich sage zu ihm ,Chef‘, und er sagt zu mir ,Hasi‘.“
Die Wissenschaftlerin Lehnert sagt: „Die wenigen Frauen, die wirklich machtvolle Positionen in der AfD haben, die haben keine weiblichen Netzwerke. So etwas wie Frauensolidarität ist im Prinzip nicht vorgesehen.“Außerdem stellt sie fest: „Die AfD hat ein traditionelles Rollenbild, aber die Lebensentwürfe der Funktionärinnen sind oft ganz anders.“
Fraktionschefin Alice Weidel (39) wird, weil sie lesbisch ist, völkisches Vokabular meidet und neoliberale Positionen vertritt, häufig gefragt, warum sie „nicht Mitglied der FDP ist“. Sie rollt dann entnervt mit den Augen und stöhnt: „Nicht schon wieder.“Weidel und die in Lebensschützer-Kreisen gut vernetzte Beatrix von Storch sind die einzigen Frauen im 14-köpfigen Bundesvorstand.
Dass die AfD manchmal auch Frauen wie Weidel oder die inzwischen ausgetretene Ex-Parteichefin Frauke Petry in die erste Reihe stellt, ist für Lehnert kein Widerspruch. Sie glaubt, die AfD benutze Frauen als eine Art Weichzeichner, um nach außen bürgerlicher und friedfertiger zu wirken. Sie sagt: „Desto eher werden rechtsextreme, völkische oder andere offen demokratiefeindliche Positionen nach außen hin abgeschwächt.“
Petry, die direkt nach der Bundestagswahl die AfD verlassen hat, war wohl – so kann man es interpretieren – nicht zufrieden mit dem bisschen Macht, die ihr Alexander Gauland und Jörg Meuthen zugestehen mochten. Sie wollte mehr, und wurde schließlich von den Männern kaltgestellt.