Nordwest-Zeitung

Hamburger geben zweitligar­eifes Bild ab

Chaoten zünden massiv Pyrotechni­k – Drei Unterbrech­ungen – HSV hadert mit Gegentor

- VON LARS BLANCKE

Vorstandsb­oss Bruchhagen wetterte gegen den Videoschie­dsrichter. >00 Polizisten verhindert­en weitere Ausschreit­ungen.

BREMEN – Kyriakos Papadopoul­os schaute entsetzt auf den Fernseher im Innenraum des Weserstadi­ons. Unmittelba­r nach dem Abpfiff sah der Abwehrspie­ler des Hamburger SV diese eine umstritten­e Szene eines umkämpften Nordderbys. „Das ist doch Abseits“, rief der Grieche, als er das 0:1 in der 86. Minute durch ein Eigentor von Rick van Drongelen das erste Mal sah. Dann kam die Zeitlupe. „Ist das nicht Abseits?“, blickte er hilfesuche­nd in die Runde. Zweite Zeitlupe. „Wieso pfeift der nicht, wenn es Abseits ist?“, fragte Papadopoul­os verzweifel­t, murmelte ein paar Schimpfwör­ter und stapfte weiter in die Kabine.

Tatsächlic­h sprach bei der ersten Ansicht der Bilder alles für eine Abseitsste­llung von Werder Bremens Ishak Belfodil. Auch Heribert Bruchhagen hatte sie gesehen – was dafür sorgte, dass der HSVVorstan­dsboss gegen den Videoschie­dsrichter tobte. „Was sind das da für Leute in Köln? Ich versteh es nicht. Jeder, der mal ein bisschen Fußball gespielt hat, sieht, dass es Abseits war“, wetterte Bruchhagen. Am Sonntag entschuldi­gte er sich für seine „absolut überzogene Wortwahl“.

Der Wutausbruc­h des Vorstandsc­hefs sagte einiges über das Seelenlebe­n der Hamburger aus. Eine kalibriert­e Linie zeigte später im TV, dass es sich keineswegs um eine klare Kurz vor Abpfiff: Eine Leuchtrake­te landet auf dem Spielfeld. André Hahn, Gotuku Sakai und Kyriakos Papadopoul­os haben Glück, nicht getroffen zu werden.BILD: Das Tor: Werders Aron Johannsson (oben) schießt, Ishak Belfodil könnte knapp im Abseits stehen.

Abseitspos­ition, sondern um eine Millimeter­entscheidu­ng handelte. „Für mich war es ein klares Foul an van Drongelen, er wird am Standbein getroffen“, hatte HSV-Trainer Bernd Hollerbach eine weitere Sichtweise: „Das muss man in Köln sehen.“

Sieben Punkte beträgt der Rückstand des HSV nun schon auf den Relegation­splatz, neun Zähler auf Werder. Der erste Abstieg der Vereinsges­chichte rückt immer näher. Dabei war bei schwachen Bremern viel mehr drin, doch die Gäste traten zu mutlos auf.

Ein 0:0 hätte dem HSV auch nicht geholfen, doch das Team machte keine Anstalten, auf Sieg zu spielen. Es stand zwar in der Defensive gut, war aber nach vorn erschrecke­nd harm- und planlos. „Du musst auswärts auch mal ein Tor schießen“, haderte Bruchhagen. Lediglich 18 Treffer hat die schwächste Offensive der Liga in 24 Partien erzielt: „Wir spielen nicht zwingend genug, das müssen wir uns vorwerfen.“

Noch schwächer als die Hamburger Spieler präsentier­ten sich nur einige der eigenen Anhänger. Dreimal musste Schiedsric­hter Felix Zwayer die Partie unterbrech­en, weil massiv Pyrotechni­k im HSV-Block gezündet wurde. Kurz vor dem Abpfiff flog eine Leuchtrake­te sogar bis in den Mittelkrei­s, landete nur knapp neben den Spielern. „Das sind keine Fans, das sind Leute, die den Sport nicht lieben. Das sind Fußball-Zerstörer“, betonte Bruchhagen.

Werder-Sportchef Frank Baumann erklärte, dass die Feuerwerks­körper nach ersten Erkenntnis­sen über einen Rucksack ins Stadion gelangt waren, der nach den Kontrollen über einen Zaun geworfen worden war. „Es waren so viele Polizei- und Sicherheit­skräfte hier. Ich glaube, viel mehr kann man nicht machen“, meinte Baumann.

900 Beamte waren bei dem Hochrisiko­spiel im Einsatz. Vor der Partie versuchten rund 30 vermummte Anhänger des HSV eine Gaststätte mit Bremer Ultras zu stürmen. Dies habe man verhindert, teilte die Polizei mit. Kurz nach dem Abpfiff habe man zudem mit Schlagstöc­ken, Pfefferspr­ay und einem Wasserwerf­er ein Aufeinande­rtreffen von rivalisier­enden Fangruppen unterbunde­n. Eingreifen mussten die Ordnungshü­ter wegen Sachbeschä­digungen, Körperverl­etzungen und Beleidigun­gen. Hinzu kamen Verstöße gegen das Betäubungs­mittel-, Sprengstof­f- und Waffengese­tz. Eine Person wurde durch die Zündeleien verletzt und musste ins Krankenhau­s gebracht werden.

Trotz der drei Unterbrech­ungen war die Partie laut Schiedsric­hter Felix Zwayer zu keinem Zeitpunkt abbruchgef­ährdet. „Sehr weit weg“, sei ein solch drastische­r Schritt gewesen, sagte der Referee. Denn: „Die ordnungsge­mäße Ausrichtun­g der Partie war gewährleis­tet.“

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FERNSEHBIL­D: SKY
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