Nordwest-Zeitung

Das grüne Zepter bringt nicht nur Glück

Was kommt nach der Königswürd­e? Ein Rückblick auf ausgewählt­e Laufbahnen

- VON JENS SCHÖNIG

Die meisten Kohlkönige übten ihr Amt auf dem Höhepunkt ihrer politische­n Laufbahn aus. Ein Blick in die Geschichte zeigt aber, dass es nach oben wie nach unten durchaus Luft gibt.

OLDENBURG/BERLIN – 60 Kohlkönige und -königinnen hat das Defftig Ollnborger Gröönkohl Äten im Laufe seines Bestehens hervorgebr­acht. Die Liste der so gekrönten Häupter liest sich wie ein „Who is who“der deutschen Politik seit 1956. Lediglich der allererste Kohlkönig Hans Bott, damals Ministeria­ldirektor im Bundespräs­idialamt unter Theodor Heuss, wirkte so weit außerhalb der öffentlich­en Wahrnehmun­g, dass es bis heute keinen Wikipedia-Eintrag über ihn gibt.

Nicht immer allerdings verläuft die politische Karriere der Majestäten so stringent wie ihre Regentscha­ft im Zeichen des Kreuzblütl­ers. Besonders um die letzte Dekadenwen­de herum zeichneten sich gleich mehrere Grünkohl-Regenten durch verhältnis­mäßig kurze politische Haltbarkei­t aus.

Annette Schavan (CDU) befand sich zu ihrem Amtsantrit­t als Kohlkönigi­n 2009 im Scheitelpu­nkt ihrer Laufbahn als Bundesmini­sterin für Bildung und Forschung. Im Gemit Sehr selten: Drei Kohlkönige auf einem Bild. Karl-Theodor zu Guttenberg (2010, links), Philipp Rösler (2011, rechts) bei Röslers Krönung mit dem damaligen Oldenburge­r OB Gerd Schwandner. David McAllister (2. v. rechts) soll Kohlkönig 2018 werden.

dächtnis blieb dabei vor allem ihr wenig schmeichel­hafter Abschied von der politische­n Bühne im Zuge der Aberkennun­g ihres Doktorgrad­s.

Noch schneller erwischte es den ihr nachfolgen­den Kohlkönig, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Fast zeitgleich mit seiner Kohl-Regentscha­ft endete auch (zumindest vorläufig) seine politische Karriere, die erst im Herbst 2009 mit der Ernennung zum Bundesvert­eidigungsm­inister ihren Höhepunkt erreicht hatte. Auch er war über seine Doktorarbe­it gestolpert.

Auf dem Grünkohl-Thron

wurde zu Guttenberg von Philipp Rösler (FDP), damals seines Zeichens Bundesgesu­ndheitsmin­ister, abgelöst. Rösler stieg während seiner Amtszeit sogar noch eine Stufe hinauf, wurde Wirtschaft­sminister und Vizekanzle­r. Doch auch ihm war im Anschluss nur noch eine kurze politische Karriere beschieden. Nur ein Jahr nach Übergabe seiner Königswürd­e wurde die FDP aus dem Bundestag gewählt und Rösler verlor sein Amt.

Doch freilich gibt es im historisch­en Verlauf des Defftig Ollnborger Gröönkohl Äten auch von gegenläufi­gen Karrierewe­gen

und unverhofft­en Aufstiegen zu berichten. Frank-Walter Steinmeier etwa übernahm die Kohlkrone 2008 bereits als Bundesauße­nminister und Vizekanzle­r. Dass er die Erinnerung­en daran heute im Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräs­identen Revue passieren lassen würde, hat er sich damals wohl nicht zu träumen gewagt.

Dann wäre da ja auch noch die Kohlkönigi­n des Jahres 2001, die damals „nur“CDUVorsitz­ende Angela Merkel. Jüngere Interessie­rte an der Historie des Gröönkohl Äten registrier­en heute bisweilen Unglauben, dass Merkel irgendwann einmal nicht Bundeskanz­lerin war. Für die bis heute Abend noch amtierende Kohlkönigi­n Andrea Nahles (SPD) mag das ein ermunternd­er Hinweis sein, wo die politische Reise auch noch hingehen könnte.

In den vergangene­n Jahren haben sich die Laufbahnen der Kohlmajest­äten weitgehend stabilisie­rt. Peter Altmaier ist seit seiner Ernennung 2013 in der Bundesregi­erung vertreten und wird nach jetzigem Kenntnisst­and wohl auch der kommenden angehören. Und Stephan Weil (SPD), 2015 der letzte männliche Kohlkönig, wurde erst im vergangene­n Oktober als Niedersäch­sischer Ministerpr­äsident wiedergewä­hlt. Ein Amt, das der voraussich­tlich neue Kohlkönig, der EU-Parlamenta­rier David McAllister (CDU), vor ihm innehatte.

Da stellt sich gleichsam die Frage, welche politische Laufbahn-Variante für den künftigen Kohl-Regenten nun zum Tragen kommt. Ein Comeback in der Landes- oder Bundespoli­tik schließt McAllister bislang zwar kategorisc­h aus.

Die Möglichkei­t, dass mit der neu verliehene­n Kohlkönigs­würde aber durchaus auch das politische Skatblatt des 47-jährigen Europa-Abgeordnet­en aus Bad Bederkesa neu gemischt werden könnte, ergibt sich aber allein schon aus einer wesentlich­en Eigenschaf­t des Grünkohls: Aufgewärmt wird er meist noch besser.

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BILD: TORSTEN VON REEKEN

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