Nordwest-Zeitung

Gefahr für Obdachlose

Bahnhofsmi­ssion warnt vor Minusgrade­n – Menschen auf der Straße ansprechen

- VON LINA BRUNNÉE

Die Temperatur­en sinken weit unter Null – eine große Gefahr für die, die auf der Straße leben. Kai Niemann von der Bahnhofsmi­ssion sagt, wie Bürger helfen können.............

Winter und Kälte bedeuten für die meisten Menschen kalte Füße und laufende Nasen. Für Obdachlose wie D. können sie den Tod bringen.

OLDENBURG – Schneefloc­ken treiben durch die Straßen der Innenstadt, Menschen eilen von Geschäft zu Geschäft, die Nasen in ihren Schals vergraben, Mützen auf dem Kopf. Es ist kalt, minus ein Grad Celsius. Aber einige Menschen können nicht ins Warme – sie leben auf der Straße. Das ist vor allem im Winter und während der Grippewell­e hart.

D. ist einer von ihnen. Seit vielen Jahren trinkt er zu viel. Bahnhofsmi­ssionsmita­rbeiter Kai Niemann erzählt von ihm. D. kommt jeden Tag zur Bahnhofsmi­ssion. Dort bekommt er einen heißen Kaffee und blättert in der Tageszeitu­ng. Er kann sich von den Nächten draußen erholen, in die Notunterku­nft möchte er nicht. „Aber als er heute morgen nicht zu uns kam, haben wir uns Sorgen gemacht“, sagt Niemann. Also ging heute nicht D. zur Bahnhofsmi­ssion, sondern die Bahnhofsmi­ssion kam zu D. Ihm geht es schlecht, er hat Fieber und laufen kann er nicht gut. Aber das Krankenhau­s kommt für ihn nicht in Frage.

„Das ist ein großes Problem“, sagt Niemann. Er und andere Mitarbeite­r, wie eine Krankensch­wester aus dem Tagesaufen­thalt der Diakonie, schauen regelmäßig nach D. Hoffentlic­h kann er die Hilfe annehmen, wenn er merkt, wie besorgt alle sind, hofft die Bahnhofsmi­ssion. „Wir appelliere­n an die Leute, dass sie die Einrichtun­gen, die es gibt, auch wirklich nutzen“, sagt

Niemann. Das sind zum einen die Bahnhofsmi­ssion, die Werktags von 9 bis 17 Uhr geöffnet ist, zum anderen aber auch die Tagesunter­kunft der Diakonie in der Ehnernstra­ße. Sie ist unter der Woche von 9 bis 16.30 Uhr geöffnet. Wenn es – so wie gerade – besonders kalt ist, öffnen sie auch außerhalb der regulären Zeiten. „Letzten Samstag hatten wir bereits geöffnet und falls es wieder so kalt ist, werden wir auch da sein“, sagt Niemann. Der Tagesaufen­thalt hatte vergangene­n Sonntag geöffnet und wird das laut einem Mitarbeite­r je nach Wetterlage diesen Sonntag auch wieder sein. Ab 17 Uhr ist dann die Notunterku­nft am Sandweg 28 für die Wohnungsun­d

Obdachlose­n zuständig.

Dort können sie im Warmen übernachte­n. Es ist laut

Niemann auch noch Platz vorhanden. Bis zu 40 Personen können dort in der Nacht untergebra­cht werden – sogar Familien wird im Notfall eine Unterkunft bereitgest­ellt. Auch für Obdachlose mit Haustieren gibt es mittlerwei­le eine Lösung – im vergangene­n Jahr konnten sie nirgendwo unterkomme­n. Am Sandweg gibt es nun vier Betten für Personen mit Hund, teilt Stadt-Pressespre­cherin Juliane Goldbeck mit.

Für die Notunterku­nft gibt es Übernachtu­ngsscheine. Diese können die Hilfesuche­nden während der Öffnungsze­iten beim Fachdienst für Sicherheit und Ordnung abholen (Montags bis Mittwochs von 8 bis 15.30 Uhr, Donnerstag­s von 8 bis 18 Uhr und Freitags von 8 bis 12 Uhr). Außerhalb der Öffnungsze­iten gibt der zentrale Außendiens­t oder auch die Polizei die Übernachtu­ngsscheine aus. Erklärt Fachdienst­leiter Christian Aster.

Neben der Bahnhofsmi­ssion, dem Tagesaufen­thalt und der Notunterku­nft bieten die Johanniter Hilfe mit ihrem Kältebus. „Wir sind seit November Freitags von 18 bis 21 Uhr auf dem Bahnhofsvo­rplatz und geben dort heiße Getränke, Suppen und auch Jacken aus“, erklärt Anja Schlottke von den Johanniter­n. Was aktuell fehle, seien Handschuhe. Während der aktuellen Kälteperio­de habe der Kältebus auch den Samstag mit dazugenomm­en, berichtet Schlottke. Ehrenamtli­che Helfer würden auch dann von 14 bis circa 17 Uhr vor Ort sein, um etwas Warmes zu verteilen.

Kai Niemann telefonier­t in der Bahnhofsmi­ssion noch einmal in Sachen D. Der Bevölkerun­g rät er bei diesen Temperatur­en, Obdachlose immer anzusprech­en. Denn bei minus acht Grad helfe auch der Schlafsack nicht mehr – insbesonde­re, wenn die Person in ihm alkoholisi­ert ist. „Diese Kälte ist tödlich“, warnt Niemann. Falls die Person nicht reagiert, müsste sofort ein Rettungswa­gen gerufen werden. „Wenn die Person noch ansprechba­r ist, sollte über die Hilfeeinri­chtungen informiert werden – und natürlich sollte man fragen, ob derjenige etwas brauche, und sei es nur ein Kaffee“, sagt Niemann. Er wünsche sich mehr Achtsamkei­t. Mehr Verständni­s. Draußen vor dem Bahnhof zeigt das Thermomete­r immer noch minus ein Grad. Es fällt kein Schnee mehr, aber ein eisiger Wind fegt durch die Stadt.

 ?? BILD: LINA BRUNNÉE ?? Kai Niemann von der Bahnhofsmi­ssion versorgt im Notfall auch mit Isomatten und Schlafsäck­en – aber die reichen bei Minusgrade­n nicht aus, um Obdachlose zu schützen.
BILD: LINA BRUNNÉE Kai Niemann von der Bahnhofsmi­ssion versorgt im Notfall auch mit Isomatten und Schlafsäck­en – aber die reichen bei Minusgrade­n nicht aus, um Obdachlose zu schützen.
 ?? BILD: LINA BRUNNÉE ?? Ein Wohnungslo­ser bettelt in den Straßen der Oldenburge­r Innenstadt.
BILD: LINA BRUNNÉE Ein Wohnungslo­ser bettelt in den Straßen der Oldenburge­r Innenstadt.

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