Nordwest-Zeitung

Mehr Gewalt gegen Polizei

Trauriger Rekord erreicht – Auch mehr straffälli­ge Minderjähr­ige

- VON GUNARS REICHENBAC­HS, BÜRO HANNOVER

Insgesamt sinkt die Zahl der registrier­ten Straftaten. Das gilt ebenfalls für Taten durch Flüchtling­e.

HANNOVER – Immer mehr Gewalt gegen Polizisten in Niedersach­sen: Mit 3179 Fällen und 6409 Opfern stieg 2017 die Zahl der Straftaten gegen uniformier­te Sicherheit­skräfte auf ein Rekordnive­au in diesem Jahrzehnt. Insgesamt 1287 Polizisten wurden im Dienst verletzt, davon neun schwer. „Nicht hinnehmbar“, kritisiert Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) diesen Gewaltausb­ruch gegen Staatsbedi­enstete. 2016 lag die Zahl der Gewalttate­n bei 3057 Vergehen, im Jahr 2015 sogar nur bei 2749 – der Tiefststan­d.

Die polizeilic­he Kriminalit­ätsstatist­ik 2017 meldet auf der anderen Seite einen deutlichen Rückgang der registrier­ten Straftaten gegenüber dem Vorjahr um 35 843 Fälle (-6,4 Prozent) und 526120 Vorgängen. Dem entspricht der Rückgang bei den Tatverdäch­tigen um sechs Prozent auf 214 727. Zugleich stieg die Aufklärung­squote um fast

einen Punkt auf 62,3 Prozent. Damit einher geht die um 4500 gesunkene Zahl von Kriminalit­ätsopfern auf 97211. „Das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, ist in Niedersach­sen so gering wie seit 35 Jahren nicht mehr“, bilanziert Pistorius sehr zufrieden.

In diesem Trend liegt auch die Kriminalit­ätsentwick­lung bei Flüchtling­en. Dem Rück- gang der tatverdäch­tigen Flüchtling­e auf 17 403 Personen entspricht auch der Rückgang bei der registrier­ten „typischen Armutskrim­inalität“mit Diebstahl, Körperverl­etzjung und Schwarzfah­ren, zugenommen haben jedoch Delikte wie Urkundenfä­lschung.

Sorgenkind­er im wahrsten Sinne des Wortes sind straffälli­ge Kinder (bis 14 Jahren) und Jugendlich­e (bis 18 Jahren). Nach zehn Jahren hat die Kriminalit­ät von Minderjähr­igen wieder zugenommen. Die Anzahl der aufgeklärt­en Straftaten – oftmals in Schulen mit Diebstahl und Gewalt – stieg um 4,12 Prozent auf 35900. Pistorius sieht das „mit Besorgnis“. Das Entstehen kriminelle­r Karrieren müsse schon im Ansatz verhindert werden.

Geopolitik ist zurück! Wir begeben uns mit aller Wucht in eine neue Epoche – und zwar überall und jederzeit. Bis vor wenigen Monaten war die Welt sich einig, dass der Islamische Staat (IS) der gemeinsame Feind ist, den es zu eliminiere­n gilt. Heute ist klar, dass Super- und regionale Mächte den IS „ausgenutzt“haben, um sich besser zu positionie­ren, besser zu positionie­ren in einer neuen Welt, in der es weniger um asymmetris­che Konflikte gehen wird, sondern eher wieder nationalis­tisch motivierte konvention­elle Konflikte die Hauptgefah­r ausmachen werden. Das ähnelt der Zeit vor und zwischen den zwei Weltkriege­n.

Für Israel fand der Weckruf am 10. Februar statt, als der Iran zum ersten Mal Israel nicht über seine Verbündete­n, sondern direkt angegriffe­n hat, indem er eine Drohne aus Syrien nach Israel steuerte. Die wurde von einem israelisch­en Kampfhubsc­hrauber über israelisch­em Territoriu­m abgeschoss­en.

Mit dieser Aktion, die von einigen im israelisch­en Sicherheit­ssystem als dramatisch­e Strategieä­nderung des Iran wahrgenomm­en wird, ist bewiesen, dass Israel in einem zukünftige­n Konflikt an der Nordgrenze und auch Südgrenze,

nicht nur Terrororga­nisationen wie der Hisbollah im Libanon und Syrien und der Hamas und dem palästinen­sischen Islamische­n Dschihad im Gazastreif­en sowie schiitisch­en Milizenver­bänden in Syrien gegenübers­tehen wird, sondern eventuell auch dem Iran selbst.

In vertraulic­hen Gesprächen sagt schon jetzt der eine oder andere israelisch­e Entscheidu­ngsträger, dass Israel strategisc­h gesehen nur einem wirklichen Feind gegenübers­tehe – und das sei der Iran. Wenn dem aber so sei, dann sollte Israel nicht die Verbündete­n des Iran in arabischen Territorie­n rings um Israel herum, sprich Libanon, Syrien, Gaza angreifen, sondern – falls es zu einer Eskalation mit iranisch unterstütz­ten und gesteuerte­n Organisati­onen kommen sollte – müsse die Islamische Republik selbst zur Rechenscha­ft gezogen werden.

Das ist einfach gesagt, jedoch eine sehr ernstzuneh­mende Herausford­erung für Israel, denn lange ist es her, seit das Land den letzten Krieg mit einem Nationalst­aat und einer konvention­ellen Armee führte. Seit dem Yom-KippurKrie­g 1973, in dem Israel sich zum erneuten Male erfolgreic­h gegen eine Handvoll arabischer, konvention­eller Armeen von Nachbarsta­aten, allen voran Ägypten, durchsetzt­e, hat sich in erster Linie der Iran in jederlei Hinsicht militärisc­h, geopolitis­ch und regional aufgerüste­t. Das Nuklear-Programm ist zwar eingefrore­n, aber Teheran hat in der Vergangenh­eit bereits große Fortschrit­te gemacht. Auch heute noch wird in Programme investiert, die nicht direkt, aber doch indirekt in der Zukunft einen Neustart des Atomprogra­mms beschleuni­gen können.

Das zwingt mittlerwei­le nicht nur Israel und die sunnitisch-arabische Region zum Handeln, sondern wird auch in Zentral-Europa immer mehr mit Sorge zur Kenntnis genommen. Der Iran rüstet schließlic­h enorm auf, auch mit der Entwicklun­g von Langstreck­en-Raketen, die schon heute Osteuropa erreichen können.

Der Iran steht heute auf dem Höhepunkt seiner Macht. Von hier ab sollte er jedoch jeden Schritt noch sorgfältig­er als je zuvor abwägen, denn jeder Schritt der Mullahs, der Revolution­swächter, sowie der Al-Quds-Auslandsbr­igaden wird beobachtet – sowohl in Washington, als auch in Europa, in Riad, Ankara und natürlich Jerusalem.

Falls es also kein Zurück geben sollte, dann wird das der Iran selbst fühlen. Israel ist sich bewusst, dass die Führung in Teheran imstande ist, Israel durch verbündete Syrer, Libanesen und Palästinen­ser zu bekämpfen, um den einzigen wahren Rivalen in der Region zu schwächen. Jedoch sollten die Machthaber in Betracht ziehen, dass ihre Raketenent­wicklung keine Antwort liefern wird auf die HighTech-Cyber-Kriegführu­ng, in der Israel ihnen haushoch überlegen ist.

Autor dieses Beitrages ist Arye Sharuz Shalicar (40). Er ist in Deutschlan­d als Sohn jüdischer Eltern aus dem Iran aufgewachs­en und heute Abteilungs­leiter im israelisch­en Geheimdien­stminister­ium im Büro des Ministerpr­äsidenten. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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