Nordwest-Zeitung

Städte wollen keinen Gratis-Nahverkehr

Modellstäd­te zur Luftreinha­ltung halten sich zurück – Brüssel gibt E-Bus-Förderung frei

- VON YURIKO WAHL-IMMEL,

Die Regierung will punktuelle Fahrverbot­e ermögliche­n. Es gehe um hochbelast­ete Strecken.

BONN – Ein Test für einen komplett kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr dürfte vom Tisch sein. „Den komplett kostenlose­n Personenna­hverkehr hat keine der Kommunen vorgeschla­gen“, sagte am Montag der Bonner Oberbürger­meister Ashok Sridharan nach einem Gespräch der fünf Modellstäd­te zur Luftreinha­ltung mit dem Bundesumwe­ltminister­ium in Bonn.

Auf die Frage, ob sich denn nun zumindest in einer der fünf Modellkomm­unen ein solcher Test abzeichne, antwortete der CDU-Politiker: „Ich denke, dass das eher unrealisti­sch ist.“Der Mannheimer Kämmerer Christian Specht (CDU) bezeichnet­e einen kostenlose­n ÖPNV als „Illusion“.

Die EU macht Druck auf Deutschlan­d wegen einer hohen Luftbelast­ung in vielen Städten mit gesundheit­sschädlich­em Stickoxid, das vor allem aus Dieselabga­sen stammt. An diesem Dienstag will das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig entscheide­n, ob nach aktueller Rechtslage Fahrverbot­e für Diesel möglichwär­en.

Die fünf Modellstäd­te zeigten sich am Montag entschloss­en, dem Bundesumwe­ltminister­ium bis Mitte März Vorschläge für eine bessere Luftqualit­ät zu machen. Es gehe vor allem darum, Diesel-Fahrzeugha­lter zum Umsteigen auf den öffentlich­en Nahverkehr zu bewegen, aber nicht darum, den ÖPNV kurzfristi­g kostenfrei zu machen, sagte die Oberbürger­meisterin von Reutlingen, Barbara Bosch (parteilos). Ein Sprecher des Bundesumwe­ltminister­iums sagte, aus Sicht der Bundesregi­erung sei ein Test mit kostenlose­m Nahverkehr noch nicht völlig vom Tisch.

Der Essener Oberbürger­meister Thomas Kufen (CDU) sagte, er sei zuversicht­lich, dass im Schultersc­hluss mit

Landes- und Bundesregi­erung kurzfristi­ge Maßnahmen gelingen und Fahrverbot­e verhindert werden könnten. Beim Diesel sehe er vor allem die Autoindust­rie in der Pflicht.

Sridharan betonte, das Gespräch in Bonn sei sehr konstrukti­v gewesen, wenn viele Fragen auch offen geblieben seien. „Das war nur ein erster Aufschlag.“Die Bundesregi­erung habe zusätzlich­e Mittel zugesagt. Bei den fünf Modellstäd­ten handelt es sich um Bonn und Essen aus Nordrhein-Westfalen und Mannheim, Reutlingen und Herrenberg aus Baden-Württember­g. Die Idee mit dem Gratis-Nahverkehr hatte die Bundesregi­erung jüngst in einem Brief an die EU genannt.

Das Bundesumwe­ltminister­ium stellte klar, es sei nie geplant gewesen, dass alle fünf Städte einen kostenlose­n Nahverkehr testen sollten, sondern nur „ein oder zwei“. Das Thema Gratis-ÖPNV sei nur eines von mehreren. Die EU-Kommission entschied am Montag, dass Deutschlan­d Elektrobus­se und Ladestatio­nen in Städten mit 70 Millionen Euro fördern darf.

Ein Sprecher des Bundesverk­ehrsminist­eriums betonte, dass die Bundesregi­erung zwar punktuelle Fahrverbot­e ermögliche­n wolle, aber weiterhin keine „blaue Plakette“plane. Es gehe vielmehr um „passgenaue, maßgeschne­iderte Lösungen“für „hochbelast­ete Strecken“.

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