Drinnerungen an die Zeit im Grünen
Bis 1962 war der Pulverturm Teil des Schlossgartens – Bau des Schlosswalls änderte dies
Im 18. Jahrhundert diente der Turm als Pulvermagazin für die Kanonen der „Eiskellerbastion“. Seinen Erhalt hat die Stadt einem Großherzog zu verdanken.
OLDENBURG – Es ist eines der charakteristischsten Fotomotive in Oldenburg: der Blick von der Balustrade am Schlossteich im Schlossgarten auf die Lambertikirche, die sich im Wasser spiegelt. Wenn die Bäume noch kahl sind, fängt die Linse auch den Pulverturm ein, der zwischen vorbeifahrenden Autos, Bushaltestelle und einem Bürobau aus den 1960er-Jahren einsam an die Oldenburger Geschichte erinnert. An eine Zeit, in der die Verbindung zwischen Schloss und Schlossgarten nicht nur im Namen bestand, sondern die Grünanlagen beinahe direkt an den Herrschaftssitz angrenzten.
Was heute nur wenigen klar sein dürfte: Der Pulverturm, eines der ältesten Bauwerke der Stadt, war über 100 Jahre lang, bis Anfang der 1960er-Jahre, Teil des Gartens. Historische Fotos zeigen das bewachsene Gemäuer, inmitten des Grüns der umliegenden Bäume halb versteckt. Hinter dem Pulverturm bahnte sich die Hausbäke ihren Weg, zwischen Lambertikirche und Schlossplatz in Richtung Stau. Dicht an dicht standen die eng verschachtelten Häuser des Schlossplatzes, die Hintergrundstücke grenzten direkt an den Schlossgarten. Zwischen dem Damals und dem Heute liegen hier Welten.
Die geheimnisvoll anmutenden Bilder von damals 22. Juni 1955: Hinter dem Pulverturm ist die Mauer zu sehen, die den Schlossgarten von den dahinter liegenden Gärten der Häuser am Schlossplatz trennte.
dürften genau das sein, was die Zeitgenossen als Ideal für einen Garten angesehen haben, als Herzog Peter Friedrich Ludwig den Schlossgarten Ende des 18. Jahrhunderts geplant hatte. Damals gaben die Romantiker den Ton an, denen das bis dato bevorzugte gezirkelte Beet zuwider war. Die geometrische Strenge der barocken Gärten sollte der freien Natur weichen.
Zu der Zeit verschwanden auch die ehemaligen Wehranlagen der Stadt an dieser Stelle: Die „Eiskellerbastion“wurde eingeebnet, der Festungsgraben zugeschüttet – bis auf einen kleinen Teil, der heute noch als Schlossgartenteich erhalten ist. Der Pulverturm, 1529 erbaut und zu Festungszeiten als Pulvermagazin für die auf der Bastion stationierten Kanonen genutzt, überstand diesen Eingriff, im Gegensatz zu weiteren Pulver-
türmen am Haarentor und an der Staulinie.
Paul Friedrich August, Großherzog von 1829 bis 1853, wollte den Turm als Zeuge der Festungszeit erhalten, der Rundbau wurde in den Schlossgarten integriert. Im Verlauf der Jahrzehnte wuchs und wucherte es rund um den Turm, in seinen Fugen und auf seiner Kuppel. Die Oldenburger nahmen nur wenig Notiz von dem einzigen
Überbleibsel der Stadtbefestigung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg drohte das historische Bauwerk zu zerfallen. Am 21. Januar 1959 schien es soweit zu sein: Die Ð berichtete in einer kleinen Meldung, dass der „Pulverturm eingestürzt“sei. Am nächsten Tag erschien allerdings eine Korrektur mitsamt Beweisfoto: Der Frost hatte lediglich ein Stück Mauerwerk der Außenwand abplatzen lassen.
1962 endete die Einheit von Schlossgarten und Pulverturm: Weil die bis dato ungewohnten Auto-Mengen in geordnete – sprich: fließende – Bahnen gelenkt werden mussten, entstanden neue Straßen: Der Schlosswall verband den historischen Theaterwall mit dem Paradewall – der selbst auch ausgebaut werden musste – und verlief durch den nördlichen Teil des Schlossgartens. Die Häuser am Schlossplatz verloren ihre Gärten, das Elisabeth-AnnaPalais seinen Küchenflügel, und der Pulverturm lag nun direkt an einer Hauptverkehrsader, die Tage der Romantik waren endgültig gezählt.
Aus heutiger Sicht mag die verlorene Idylle zwar bedauernswert erscheinen. Notwendig war der Bau der Straße allemal: Denn bis dahin mussten sich Autos auf dem Weg von der Gartenstraße oder dem Theaterwall nach Osternburg durch die enge Straße am Schlossplatz quetschen.
Und es hätte noch „schlimmer“kommen können: Denn im damals berüchtigten „Bebauungsplan 164“war 1963 geplant worden, eine vierspurige Hochbrückenstraße – ähnlich einer Autobahn – von der Stedinger Straße bis zum Prinzenpalais zu bauen, der neben 1200 Quadratmetern des Schlossgartens und dem Elisabeth-Anna-Palais auch die Cäcilien- und Amalienbrücke zum Opfer gefallen wären. Eine Bürgerinitiative wurde gegründet, die Kritik an dem Vorhaben wuchs und wuchs. 1974 kippte der Rat den Plan, 1978 wurde der Schlossgarten zum Gartendenkmal. An vierspurige Straßen ist hier nun nicht mehr zu denken.
Der Pulverturm indes erhielt in den Folgejahren sogar einen historischen Zugewinn: 1993 entdeckten Archäologen bei Grabungen neben dem Turm Teile der spätmittelalterlichen Stadtmauer sowie der Festungsanlagen aus dem 18. Jahrhundert. Sie wurden konserviert und sind heute im Verbund mit dem Pulverturm ein bedeutsames Zeugnis der Oldenburger Stadtgeschichte – und auch geeignet als Fotomotiv. Der Pulverturm (runder Bau in der Mitte) als Teil der Befestigung der Stadt, 1792. 1828 war die Befestigung abgebaut, der Turm Teil des neuen Schlossgartens. 1950er: Damals wie heute ist die Lambertikirche ein beliebtes Fotomotiv.