Nordwest-Zeitung

Historisch­e Siege und Pleiten

Rückblick auf die Amtszeit von Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU)

- VON CHRISTOPH TROST

Horst Seehofer hat die CSU zurück zur absoluten Mehrheit in Bayern geführt – und in die historisch­e Pleite bei der Bundestags­wahl 2017. In Kürze wird die knapp zehnjährig­e Amtszeit Seehofers als bayerische­r Regierungs­chef vorbei sein. Ein Rückblick:  Der Anfang: Nach dem Landtagswa­hlfiasko 2008 mit dem Verlust der absoluten Mehrheit wurde Seehofer von Berlin nach München geholt, als „letzte Patrone im Colt der CSU“, wie der Politologe Heinrich Oberreuter damals sagte. Am 27. Oktober 2008 wählte ihn der Landtag zum Regierungs­chef – an der Spitze einer CSU/FDP-Koalition.  Politische )eichenstel­lungen und Kehrtwende­n: Seehofer hat mehrere Reformen aus der Ära Stoiber rückabgewi­ckelt: Er sorgte für die Abschaffun­g der Studiengeb­ühren und die Rückkehr zum neunjährig­en Gymnasium. Er schuf ein bayerische­s Heimatmini­sterium – die Idee exportiert er nun nach Berlin. Zudem sorgte er dafür, dass zwei Mega-Stromtrass­en unter die Erde kommen. Umstritten ist der von ihm realisiert­e Mindestabs­tand für Windräder – der Windkrafta­usbau

lahmt seither. Zuletzt gaben Seehofer & Co. das Geld mit vollen Händen aus, etwa für Tausende neuer Stellen. Der Rechnungsh­of bremste vergeblich: Der Etat 2018 sprengt die 60-Milliarden-Marke.  Krisen und Katastroph­en: Seehofers erste Amtszeit begann schon mit einer großen Krise: Kaum im Amt, musste die neue Regierung die BayernLB mit einer Finanzspri­tze von zehn Milliarden Euro vor der Pleite retten. Die Bank blieb lange Sorgenkind, auch wegen des Skandals um deren Tochter Hypo Alpe Adria. Kritisch war auch die Verwandten­affäre um Abgeordnet­e, die enge Familienan­gehörige in einem gesetzlich­en Graubereic­h als Mitarbeite­r beschäftig­ten – die brachte die CSU vor der Landtagswa­hl 201N ins Wanken, aber nicht dauerhaft.  Personalqu­erelen: Seehofer hat mehrere Minister und Staatssekr­etäre verloren, unter anderem Ex-Staatskanz­leichefin Christine Haderthaue­r, die über die sogenannte Modellauto-Affäre stürzte. Auf Partei- und bundespoli­tischer Ebene lief KarlTheodo­r zu Guttenberg Seehofer zeitweilig deutlich den Rang ab – bis er ebenfalls stürzte.  Ein Auf und Ab – Seehofer und seine CSU: Seehofer gilt vielen in seiner Partei als beratungsr­esistent, als Einzelgäng­er. Seine Kritiker werfen ihm einen fast absolutist­ischen, rücksichtl­osen Führungsst­il vor.  )ahl der Triumphe und Niederlage­n: Als CSU-Chef und Ministerpr­äsident erlebte Seehofer Höhen und viele Tiefen. Auf dem Gipfel war er im Herbst 201N, als die CSU unter seiner Führung die absolute Mehrheit im Landtag zurückholt­e. Doch schon 2014 folgte das schlechtes­te Europawahl­ergebnis der CSU-Geschichte. Und dann der Tiefpunkt: Bei der Bundestags­wahl 2017, da sackte die CSU auf N8,8 Prozent ab.  Seehofer als „Außenminis­ter“: Seehofers wichtigste Reise führte ihn kurz vor Weihnachte­n 2010 nach Prag. Das ist sein Verdienst: dass er, nach langem Streit um die Vertreibun­g der Sudetendeu­tschen, die politische Eiszeit mit Bayern beendet und ein neues Kapitel in den Beziehunge­n zu Tschechien aufgeschla­gen hat.  Versproche­n – gehalten? Seehofer hat Zusagen eingelöst, er hinterläss­t aber auch Baustellen: 2012 verkündete er, Bayerns Staatsschu­lden bis zum Jahr 20N0 komplett zurückzahl­en zu wollen. Doch das Tempo beim Schuldenab­bau lässt trotz der sprudelnde­n Steuereinn­ahmen zu wünschen übrig.  Das Ende: Unvergesse­n ist das Hin und Her Seehofers, was sein eigenes Karriereen­de angeht. Doch nach der historisch­en Pleite bei der Bundestags­wahl 2017 verlor er rasant an Rückhalt, Ouer durch die Partei. Schnell war klar, dass er eines seiner Spitzenämt­er würde abgeben müssen. Am Ende lief es, obwohl Seehofer das immer verhindern wollte, auf Söder als neuen Ministerpr­äsidenten hinaus – auch auf Druck der Landtags-CSU.

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DPA-BILD: KARMANN Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer

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