NWZ-REDAKTEUR HASELIER MACHT DEN ELEKTROAUTO-TEST
Dreitägiger 4raxistest mit dem Hyundai Ioni< Elektro 9 Magere Reichweite, lange =adezeit
Elektroautos haben derzeit bei den Neuzulassungen einen Marktanteil von knapp 0,8 4rozent. Für wen lohnen sich die Stromer, die immer besser werden?
OLDENBURG 9 Da steht er nun, fast nagelneu, ganz schick, ohne aufdringlich zu sein, aber irgendwie auch stinknormal: Drei Tage lang soll er mich begleiten, der Hyundai Ioniq, und seine Alltagstauglichkeit beweisen. Das ist nicht selbstverständlich, denn der Hyundai Ioniq ist ein reines Elektromobil der neuesten Generation. Die EWETochter Waydo hat den Stromer als Testwagen zur Verfügung gestellt, denn der Oldenburger Energieversorger EWE setzt stark auf das neue Geschäftsfeld E-Mobilität.
Viel Komfort
Die Voraussetzungen, dass der Hyundai seinen Auftrag erfüllt, scheinen nicht schlecht. Das Auto ist mit allem ausgestattet, was ein komfortbewusster Fahrer so braucht. Es gibt eine KlimaAutomatik, ein Navigationssystem mit großem Touchscreen-Monitor, eine Rückfahrkamera und diverse kleine elektronische Helfer, zum Teil mit Bedienung am Lenkrad, die einem das Autofahrerleben erleichtern.
Kim Kowalewski, die nette Dame vom EWE-KompetenzCenter Mobilität, die die Übergabe macht, weist mich kurz in die Bedienung ein, lädt schnell die App „Punktladung“auf mein Handy, die das Abrechnen an den Schnellladestationen der EWE erleichtern soll – bargeldlose Bezahlung, versteht sich. Und damit es nicht zu theoretisch wird, probieren wir es gleich mal an der Säule vor dem EWE-Standort im Oldenburger Escherweg aus. Das sieht zunächst kompliziert aus, ist aber tatsächlich dank der App eine relativ einfache Angele-
genheit, die sich jedoch hinziehen kann. Dazu später mehr. Das Ladekabel ist schnell angeschlossen, und schon startet der Ladevorgang. Für Säulen ohne Kabel hat der Hyundai ein eigenes im Kofferraum. Ganz voll laden wir jetzt nicht, dafür fehlt gerade die Zeit.
Zuschaltbares Geräusch
Und schon geht es los. Die Anzeige weist beruhigende 120 Kilometer Reichweite aus. Die Vorwärts-Fahrstufe (D) eingelegt, und lautlos setzt sich der Ioniq in Bewegung. Das ist in der Tat eindrucksvoll: Man hört außer den leichten Abrollgeräuschen der Winterreifen wirklich nichts, nicht einmal ein leises Surren des E-Motors ist zu vernehmen. Bei schneller Fahrt kommen noch wenig Windgeräusche hinzu. Aber das ist alles. Damit das für andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährlich wird, weil sie das Auto nicht kommen hören, lassen sich leise Motorgeräusche elektronisch erzeugen und zuschalten.
Kaum hat man sich an die einfachen technischen Abläufe und das etwas andere Armaturenbrett ohne Drehzahlmesser gewöhnt, animiert das Auto schon zum Ausprobieren. Zum Beispiel die SportFahrstufe, mit der sich beachtliche Fahrleistungen erzielen lassen. Dann springt die Tachoanzeige auf rötliche Leuchtumrandung mit Drehzahlmesser um, wobei es sich tatsächlich ja nicht um die gemessene Drehzahl, sondern um den Energiefluss handelt, den man mit dem Druck aufs Gaspedal erzeugt. Ein Gaspedal ist das in Wahrheit auch nicht, technisch eher so etwas wie der Lautstärkeregler einer Musikanlage.
Auf der rund 30 Kilometer langen Heimfahrt zeigt sich, dass der Hyundai in dem Sportmodus Überholvorgänge spielerisch leicht bewältigt. Die Fahrleistungen des 88 KW (120 PS) starken Ioniq entsprechen in etwa denen einer potenten Mittelklasse-Limousine. Die auf der Autobahn getestete Höchstgeschwindigkeit endet allerdings bereits bei knapp über 160 km/h, was aber angesichts der allgemeinen Verkehrsdichte mehr als ausreichend erscheint.
Ausprobieren sollte man das nicht zu oft. Denn dann fällt die Reichweiten-Kapazität in etwa so schnell wie die Tachonadel beim Abbremsen. Das wird noch verstärkt bei Minusgraden, wenn nämlich die elektrische Heizung des Autos einiges leisten muss, um den Innenraum angenehm temperiert zu halten, was erheblichen Einfluss auf die Reichweite hat.
Irreführende Angaben
In voll aufgeladenem Zustand liegt die in diesen Wintertagen bei gerade mal 160 Kilometern. Die Reichweitenangaben ab Werk haben dabei etwa dieselbe Aussagekraft wie die Nährwerthinweise von McDonald’s zum Big Mac, nämlich keine. Hyundai gibt für den Ioniq 280 Kilometer Reichweite an. Die wird allenfalls auf dem Prüfstand im Labor erreicht. Denn sie ist meilenweit von dem entfernt, was tatsächlich realisierbar ist. Die Differenz ist dabei im Winter deutlich größer als im Sommer, es sei denn, es läuft ständig die Klimaanlage auf Hochtouren. Hyundai steht mit dieser fast schon gezielten Desinformation des Verbrauchers nicht allein, die anderen Hersteller – einschließlich
Tesla – sind bei den Reichweitenangaben nicht viel besser. Das erinnert zuweilen an die Angaben zum Schadstoffausstoß von Dieselautos bei VW...
Damit sind wir auch schon mittendrin im eigentlichen Thema, nämlich wie sich das Elektroauto mit dieser Reichweite und den damit verbundenen Ladezeiten im normalen Alltag schlägt. Und da hat sich leider in den vergangenen Jahren nicht allzu viel geändert. Man muss als Privatmann weiterhin einige Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen. Solange man in der Großstadt mit überschaubaren Entfernungen lebt und man die Möglichkeit hat, das Auto über Nacht in der Garage aufzuladen, ist die Welt noch in Ordnung. Allerdings muss das heimische Stromnetz dafür auch entsprechend ausgestattet sein, sonst droht Überhitzung. Speziell dafür gibt es aber sogenannte Wallboxen, mit denen die Überhitzung verhindert wird und die auch schnellere Ladezeiten ermöglichen. Die sollte man beim Kauf eines E-Mobils gleich mitkalkulieren.
:ür Pendler schwierig
Wer Pendler ist und auf dem Land wohnt, sieht sich noch mit anderen Hindernissen konfrontiert. Weil man deutlich mehr Kilometer als in der Stadt zurücklegt, ist auch häufigeres Laden notwendig. Das Laden an einer der wenigen öffentlichen Ladestationen ist zwar nicht aufwendiger als in der Stadt, jedoch ist es deutlich schwieriger, immerhin mehr als eine Stunde Ladezeit (die gerade mal 20 Mehrkilometer einbrachte) sinnvoll zu verbringen. Will heißen: Man muss sich schon sehr genau überlegen, wie man die Ladezeit rationell in den Alltag einbindet und was fußläufig von der Ladestation noch erreichbar ist. Das ist für den bequemen Zeitgenossen eher lästig als attraktiv und in der Stadt leichter zu lösen als auf dem Land.
Wenig verführerisch erscheint außerdem eine längere Fahrt über mehr als 200 Kilometer. Dann muss unterwegs an der Autobahn geladen werden. Auch da bleibt ja nichts anderes als erstens zu hoffen, dass gerade eine Ladestation frei ist, und zweitens, dass das Angebot in der Raststätte so gut ist, dass man es auch mal eine Stunde dort aushalten kann. So lange dauert es nämlich mindestens, bis
der Akku wieder genug Power hat.
Wenig verändert
Bemerkenswert an diesen Einschränkungen ist ein Vergleich mit einer rund einwöchigen Testfahrt eines Kollegen vor mehr als fünf Jahren: Die Nutzung eines Peugeot iOn auf längeren Strecken gestaltete sich seinerzeit ähnlich problematisch wie die mit dem Hyundai heute – mit einem Unterschied: Damals hatte die EWE gerade mal zwei „schnelle“und 29 „normale“Ladestationen im Nordwesten. Heute sind es weit über 130. Insofern war die Furcht, ohne Vortrieb irgendwo in der Pampa liegen zu bleiben, damals sicher größer. Doch die Weiterentwicklung der Reichweite der Fahrzeuge bleibt überschaubar.
Fairerweise muss man einräumen, dass die durchschnittliche Fahrleistung des deutschen Autofahrers bei 35 Kilometern am Tag liegt, womit zumindest rechnerisch ein E-Mobil für ausreichende und auch flexible Mobilität sorgen könnte. Aber die Ansprüche sind eben individuell verschieden. Sinnvoll erscheinen E-Mobile in jedem Fall für Haushalte mit mehr als einem Auto – ein Verbrenner für Langstrecken, ein E-Mobil für kurze Entfernungen.
Ganz sicher aber bieten sich Elektrofahrzeuge als lohnende Alternative in der Wirtschaft an. Es dürfte große Fuhrparks von Unternehmen vieler Branchen geben, die man ohne weiteres mit den Stromern bestücken könnte. In naher Zukunft könnte auch das Gros der Taxis mit Strom angetrieben werden. Für solche Vorhaben bietet die EWETochter Waydo komplexe Lösungen.