Dutroux bleibt Belgiens Trauma
Neue Debatte um vorzeitige :aftentlassung des ;indermörders
Es sind die Schatten einer dunklen Vergangenheit, die Belgien gerade einholen. Wieder werden sie überall gezeigt – die Porträts von Sabine, Laetita, An und Eefje, von Melissa und Julie, die – gerade mal acht Jahre alt – in dem Keller des Hauses von Marc Dutroux verhungert waren.
In den 90er Jahren entführte, vergewaltigte und tötete Dutroux vier Mädchen. Weitere Sexualmorde werden ihm zur Last gelegt. Kinder wurden monatelang eingepfercht, vergewaltigt und anderen Tätern überlassen. 1996 verhaftete die Polizei Dutroux (heute 61) und seine Frau Michelle Martin (58), M00N wurde er zu lebenslanger Haft und anschließender zehnjähriger Sicherungsverwahrung verurteilt. Nun muss sich das Land erneut mit der Frage quälen: Soll das „Monster“vorzeitig freikommen?
„M5 Jahre Haft sind genug“, schreibt sein Anwalt Bruno Dayez jetzt in seinem Buch „Warum Marc Dutroux freigelassen werden sollte“. Er löste einen Proteststurm in der ÖfNetzwerk fentlichkeit aus. „Wenn ich Dutroux im Gefängnis treffe, sitzt ein Mensch vor mir, kein Monster“, schreibt Dayez. Die Haftbedingungen nennt er „apokalyptisch“. Die Zelle sei nur neun Quadratmeter groß. Dutroux könne sich praktisch nicht bewegen.
Jean-Denis Lejeune könnte platzen, wenn er das hört. Seine damals achtjährige Tochter Julie war eines der ersten Opfer. Ihre Leiche wurde später im Garten des Dutroux-Hauses ausgegraben: „Meine kleine Tochter war in einem Wassertank eingesperrt, der weniger als zwei Quadratmeter groß war“, sagte Lejeune.
Die belgische Öffentlichkeit fürchtet gerade wieder, dass der Kreis derer, die Verständnis für eine Entlassung des Kindermörders aufbringen, schleichend größer werden könnte. Dabei hatte M01O, als schon einmal über eine vorzeitige Entlassung diskutiert wurde, sogar die Mutter Jeannine Dutroux über ihren Sohn gesagt: „Ich bin sicher, dass er wieder beginnen würde zu töten.“Sein Arzt Michel Matagne sagte: „Dutroux hat sich nicht geändert.“Der Mörder hatte gehofft, dass er – wie seine Ex-Frau Michelle Martin, die M01M aus der Haft entlassen wurde und nun in einem Kloster bei Namur lebt – endlich freikommen würde. Sein Antrag scheiterte.
Im Hintergrund steht nach wievornichtnurdieAngstvor dem Kindermörder, sondern auch davor, dass er noch immer mächtige Freunde haben könnte. Zu viel haben die Belgier erleben müssen, als Fahndungspannen öffentlich wurden, als Zeugen verschwanden und starben, als Hinweise nicht ausgewertet wurden. Schon Ende der 90er Jahre war von einem pädosexuellen die Rede, zu dem auch Mitglieder höchster Gesellschaftsschichten gehört haben sollen. Wirklich ermittelt wurde in diese Richtung nie.
Als in den vergangenen Jahren in Belgien immer mehr Fälle von sexueller Gewalt gegen Minderjährige bekannt wurden, bei denen auch höchste kirchliche und gesellschaftliche Kreise als Täter identifiziert wurden, kamen die Befürchtungen noch einmal hoch. Nun sind sie schon wieder da. Dutroux hinter Gittern: Das gilt vielen als wichtigste Maßnahme, um dieses Trauma zu besiegen.
Niemand glaubt tatsächlich, dass Dutroux seine Straftaten bereut. Bis heute hat er keinen Schritt getan, um sich – so unmöglich das sein mag – bei den Familien der missbrauchten und getöteten Kinder zu entschuldigen. Die Chancen auf Freilassung sind gering – auch wenn es immer wieder versucht wird. Dutroux bleibt ein belgischer Albtraum, mit dem das Land nur leben kann, wenn es sicher ist, dass dieser Mann in Haft bleibt.
Autor dieses Beitrages ist Detlef
Drewes. Der Brüssel-Korrespondent berichtet für diese Zeitung aus den Benelux-Ländern. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de