Traditionsclubs müssen Neuanfang planen
Wie der Hamburger SV und der 1. FC Köln mit dem bevorstehenden Abstieg umgehen
Die Lage bei den beiden Gründungsmitgliedern der Bundesliga erscheint aussichtslos. Die Vorbereitungen auf die 2. Spielklasse laufen bereits.
HAMBURG/KÖLN – Armin Veh erlebte das ganze Drama des 1. FC Köln aus kürzester Distanz. Erstmals auf der Bank verfolgte der starke Mann des Tabellenletzten die bittere 2:3-Niederlage gegen den VfB Stuttgart, die Spieler, Fans und Verantwortliche fassungslos zurückließ. Statt des erhofften Befreiungsschlags folgte im Kampf um den Klassenerhalt wohl der K.o. – nun muss Veh den Verein für eine Zukunft in der 2. FußballBundesliga aufstellen.
Der 57-Jährige, der als Geschäftsführer Sport eigentlich auf der Tribüne bleiben wollte, schaut Trainer Stefan Ruthenbeck genau auf die Finger. Er prüft den Kader und wägt Optionen für die Zukunft ab. Wenn es zum sechsten Abstieg kommt, sind die Rheinländer handlungsfähig.
Köln weiter als HSV
Damit sind sie deutlich weiter als ein möglicher Konkurrent in der neuen Saison. Beim ebenfalls abgeschlagenen Hamburger SV entsteht immer mehr ein Machtvakuum, das die nötigen Planungen für den Fall des ersten Abstiegs erschwert.
Vorstandsboss Heribert Bruchhagen, Sportdirektor
Jens Todt und der vereinsübergreifend seit 23 Spielen sieglose Trainer Bernd Hollerbach sind allesamt angezählt. Der neue Vereinspräsident Bernd Hoffmann wird im Abstiegsfall wohl auf den ResetKnopf drücken und die wichtigen Entscheidungsträger austauschen.
Das 0:0 am Samstag gegen Mainz 05 zeigte die großen Mängel des HSV schonungslos auf. An Leidenschaft und Einsatzwillen mangelt es nicht, wohl aber an Nervenstärke und oftmals schlicht an der Qualität. Bobby Wood und Lewis Holtby, zwei Spitzenverdiener ohne großen Einfluss aufs Spiel, saßen nur auf der Tribüne und stehen
sinnbildlich für die verkorkste Kaderplanung der Hamburger. Es fehlen Identifikationsfiguren und schlimmer noch: Leistungsträger.
Bruchhagen appellierte, „nicht zu stark in die Resignation zu gehen“. Sein Rat: „Wir sollten uns ein wenig damit abfinden, wenn der Fall eintritt, dass es zum Sport gehört.“Er selbst wolle darauf einwirken, „dass das Ganze nicht zu chaotisch wird“. Es bestehe noch eine Restchance, betonte er, aber die Planungen für die 2. Liga liefen.
Für beide Teams scheint der Gang in die 2. Bundesliga unausweichlich. Köln, das den Abgang von Torjäger Anthony Modeste im Sommer
nie kompensieren konnte, ist seit dem 3. Spieltag Letzter, Hamburg hat seit dem 26. November 2017 (3:0 gegen Hoffenheim) kein Bundesligaspiel mehr gewonnen. Auch unter dem neuen Trainer Hollerbach trat keine Besserung ein. Mit 17 (Köln) und 18 Punkten (HSV) liegen beide deutlich hinter dem Relegationsrang (25).
Was bringt also die Zukunft? In beiden Fällen ziemlich sicher massive Umbrüche. Der HSV müsste seinen Spieleretat wohl von 55 auf 33 Millionen Euro reduzieren. Insgesamt soll sich der Bundesliga-Dino mit rund 105 Millionen Euro im Minus befinden. Gut möglich, dass für die Zweitliga-Lizenz Investor Klaus-Michael Kühne ein weiteres Mal angepumpt werden müsste. „Um im Rahmen der Lizenzierung eine ZweitligaMannschaft zu planen, sind auch Transfererlöse notwendig“, hatte Bruchhagen am Sonntag gesagt.
HSV vor Ausverkauf
Die Offensivkräfte Filip Kostic und André Hahn, die Brasilianer Walace und Douglas Santos, Mittelfeldspieler Albin Ekdal, Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos sowie Riesentalent Jann-Fiete Arp muss der HSV versilbern. Bei Nicolai Müller, Dennis Diekmeier, Gotoku Sakai, Aaron Hunt, Lewis Holtby, Bjarne Thoelke, Sven Schipplock und Sejad Salihovic laufen die Verträge aus. Die einen will der HSV nicht mehr, die anderen kann er sich bei einem Abstieg nicht leisten.
Weiter ist der FC, bei den Rheinländern hat sich im Laufe der Saison viel getan. Peter Stöger trainiert jetzt Borussia Dortmund, Vehs Vorgänger Jörg Schmadtke ist auf Jobsuche. Köln hat zwar weniger finanzielle Sorgen als der HSV, aber Stützen wie Torhüter Timo Horn oder Nationalspieler Jonas Hector werden kaum in die 2. Bundesliga gehen.
Bleiben noch neun Spiele, um das Worst-Case-Szenario abzuwenden. Rechnerisch möglich ist es für beide Mannschaften – und an diese Chance klammern sich die Bundesliga-Gründungsmitglieder vehement. „Wir werden nicht aufgeben“, heißt es einheitlich aus beiden Lagern. Die Zeit drängt.