Nordwest-Zeitung

Traditions­clubs müssen Neuanfang planen

Wie der Hamburger SV und der 1. FC Köln mit dem bevorstehe­nden Abstieg umgehen

- VON ANDREAS ASEN UND FRANKO KOITZSCH

Die Lage bei den beiden Gründungsm­itgliedern der Bundesliga erscheint aussichtsl­os. Die Vorbereitu­ngen auf die 2. Spielklass­e laufen bereits.

HAMBURG/KÖLN – Armin Veh erlebte das ganze Drama des 1. FC Köln aus kürzester Distanz. Erstmals auf der Bank verfolgte der starke Mann des Tabellenle­tzten die bittere 2:3-Niederlage gegen den VfB Stuttgart, die Spieler, Fans und Verantwort­liche fassungslo­s zurückließ. Statt des erhofften Befreiungs­schlags folgte im Kampf um den Klassenerh­alt wohl der K.o. – nun muss Veh den Verein für eine Zukunft in der 2. FußballBun­desliga aufstellen.

Der 57-Jährige, der als Geschäftsf­ührer Sport eigentlich auf der Tribüne bleiben wollte, schaut Trainer Stefan Ruthenbeck genau auf die Finger. Er prüft den Kader und wägt Optionen für die Zukunft ab. Wenn es zum sechsten Abstieg kommt, sind die Rheinlände­r handlungsf­ähig.

Köln weiter als HSV

Damit sind sie deutlich weiter als ein möglicher Konkurrent in der neuen Saison. Beim ebenfalls abgeschlag­enen Hamburger SV entsteht immer mehr ein Machtvakuu­m, das die nötigen Planungen für den Fall des ersten Abstiegs erschwert.

Vorstandsb­oss Heribert Bruchhagen, Sportdirek­tor

Jens Todt und der vereinsübe­rgreifend seit 23 Spielen sieglose Trainer Bernd Hollerbach sind allesamt angezählt. Der neue Vereinsprä­sident Bernd Hoffmann wird im Abstiegsfa­ll wohl auf den ResetKnopf drücken und die wichtigen Entscheidu­ngsträger austausche­n.

Das 0:0 am Samstag gegen Mainz 05 zeigte die großen Mängel des HSV schonungsl­os auf. An Leidenscha­ft und Einsatzwil­len mangelt es nicht, wohl aber an Nervenstär­ke und oftmals schlicht an der Qualität. Bobby Wood und Lewis Holtby, zwei Spitzenver­diener ohne großen Einfluss aufs Spiel, saßen nur auf der Tribüne und stehen

sinnbildli­ch für die verkorkste Kaderplanu­ng der Hamburger. Es fehlen Identifika­tionsfigur­en und schlimmer noch: Leistungst­räger.

Bruchhagen appelliert­e, „nicht zu stark in die Resignatio­n zu gehen“. Sein Rat: „Wir sollten uns ein wenig damit abfinden, wenn der Fall eintritt, dass es zum Sport gehört.“Er selbst wolle darauf einwirken, „dass das Ganze nicht zu chaotisch wird“. Es bestehe noch eine Restchance, betonte er, aber die Planungen für die 2. Liga liefen.

Für beide Teams scheint der Gang in die 2. Bundesliga unausweich­lich. Köln, das den Abgang von Torjäger Anthony Modeste im Sommer

nie kompensier­en konnte, ist seit dem 3. Spieltag Letzter, Hamburg hat seit dem 26. November 2017 (3:0 gegen Hoffenheim) kein Bundesliga­spiel mehr gewonnen. Auch unter dem neuen Trainer Hollerbach trat keine Besserung ein. Mit 17 (Köln) und 18 Punkten (HSV) liegen beide deutlich hinter dem Relegation­srang (25).

Was bringt also die Zukunft? In beiden Fällen ziemlich sicher massive Umbrüche. Der HSV müsste seinen Spielereta­t wohl von 55 auf 33 Millionen Euro reduzieren. Insgesamt soll sich der Bundesliga-Dino mit rund 105 Millionen Euro im Minus befinden. Gut möglich, dass für die Zweitliga-Lizenz Investor Klaus-Michael Kühne ein weiteres Mal angepumpt werden müsste. „Um im Rahmen der Lizenzieru­ng eine ZweitligaM­annschaft zu planen, sind auch Transferer­löse notwendig“, hatte Bruchhagen am Sonntag gesagt.

HSV vor Ausverkauf

Die Offensivkr­äfte Filip Kostic und André Hahn, die Brasiliane­r Walace und Douglas Santos, Mittelfeld­spieler Albin Ekdal, Abwehrchef Kyriakos Papadopoul­os sowie Riesentale­nt Jann-Fiete Arp muss der HSV versilbern. Bei Nicolai Müller, Dennis Diekmeier, Gotoku Sakai, Aaron Hunt, Lewis Holtby, Bjarne Thoelke, Sven Schipplock und Sejad Salihovic laufen die Verträge aus. Die einen will der HSV nicht mehr, die anderen kann er sich bei einem Abstieg nicht leisten.

Weiter ist der FC, bei den Rheinlände­rn hat sich im Laufe der Saison viel getan. Peter Stöger trainiert jetzt Borussia Dortmund, Vehs Vorgänger Jörg Schmadtke ist auf Jobsuche. Köln hat zwar weniger finanziell­e Sorgen als der HSV, aber Stützen wie Torhüter Timo Horn oder Nationalsp­ieler Jonas Hector werden kaum in die 2. Bundesliga gehen.

Bleiben noch neun Spiele, um das Worst-Case-Szenario abzuwenden. Rechnerisc­h möglich ist es für beide Mannschaft­en – und an diese Chance klammern sich die Bundesliga-Gründungsm­itglieder vehement. „Wir werden nicht aufgeben“, heißt es einheitlic­h aus beiden Lagern. Die Zeit drängt.

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DPA-BILD: HEIMKEN Wie sich Bilder gleichen: Hamburgs Filip Koctic (links) kniet nach dem 0:0 gegen Mainz auf dem Rasen. Kölns Timo Horn sitzt nach dem 2:3 gegen Stuttgart auf dem Grün.
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