Nordwest-Zeitung

Warum in die Ferne schweifen

Hokale Spezialitä­ten sollen Besuchern schmecken und in Erinnerung bleiben

- VON CHRISTINA STICHT

Regionen setzen zunehmend auf typische Kost, die sie unverwechs­elbar macht. Und werden ganz schön erfinderis­ch.

M NORDWESTEN – Paris hat den Eiffelturm, Berlin das Brandenbur­ger Tor und Oldenburg den Grünkohl. Schon seit mehr als 50 Jahren wirbt die Stadt mit dem vitaminrei­chen Wintergemü­se. Bei seiner Krönung zum Grünkohlkö­nig versprach Niedersach­sens früherer Landesvate­r David McAllister (CDU) vor wenigen Tagen in Berlin, den Grünkohl in ganz Europa groß herauszubr­ingen. Das „Defftig Ollnborger GröönkohlÄ­ten“mit der Ernennung eines Spitzenpol­itikers zum König ist nur ein Element der Vermarktun­g der Palme des Nordens in Oldenburg.

Seit 2011 hilft die InternetSe­ite www.kohltourha­uptstadt.de bei der Planung der traditione­llen winterlich­en Ausflüge. Die heimischen Gasthäuser freut’s.

Auch andere niedersäch­sische Regionen versuchen, mit Kulinarisc­hem zu punkten und bieten vermehrt Spezialitä­ten an. Die TourismusM­arketing Niedersach­sen GmbH nennt gleich 40 solcher Gerichte und Getränke von der Altländer Apfelsuppe aus dem größten zusammenhä­ngenden Obstanbaug­ebiet Nordeuropa­s bis zum Kräuterlik­ör Jägermeist­er aus Wolfenbütt­el.

Patent angemeldet

Der Nienburger Spargel etwa wird seit 1960 unter Qualitätsk­ontrolle der Landwirtsc­haftskamme­r verkauft, seit 1996 ist die Marke beim Patentamt geschützt. Das Anbaugebie­t wurde von 54 Hektar im Jahr 1949 auf heute 1000 Hektar ausgebaut. Die Jahrhunder­te alte ostfriesis­che Teekultur steht seit 2016 sogar auf der deutschen Liste des immateriel­len Kulturerbe­s der Unesco.

„In den letzten Jahren gibt es verstärkt ein Bemühen um regionale Identität über regionale Produkte“, sagt der Tourismus-Berater Stefan Herzog. „Das ist ein Hype geworden. Man besinnt sich auf die Heimat, egal wie global man denkt.“Wichtig sei, dass die Produkte zur Region passen und durch Qualität überzeugen. Allein ein hochprozen­tiges Getränk mit einem Ortsnamen anzubieten, funktionie­re nicht, sagt Herzog, der lange Chef der Rheinhesse­nTouristik war.

Regi'nale Marken

Wie schon zuvor die Eifel in Nordrhein-Westfalen hat der Harz 2011 eine Regionalma­rke eingeführt, die nicht nur Lebensmitt­el, sondern auch

Gastronomi­e und Handwerk einschließ­t. Seither wurden etwa 400 Produkte von 57 Produzente­n mit dem Label „Typisch Harz“ausgezeich­net. „Die Produkte bieten unseren Gästen die Möglichkei­t, ihre Urlaubserl­ebnisse mit nach Hause zu nehmen“, sagt Ute Döppelheue­r vom Harzer Tourismusv­erband. “udem gebe die Marke Harzern die Chance, sich mit ihrer Region zu identifizi­eren.

Aufmerksam­keit erregen die traditione­llen heimischen Produkte vor allem, wenn sie neu interpreti­ert werden. So gibt es in Oldenburg inzwischen auch Grünkohl-Pralinen und Grünkohl-Tee zu kaufen.

Es müssen aber nicht Spezialitä­ten sein, die typischerw­eise auch in der Region zu Hause sind: Hobbywinze­r aus Oldenburg und Ostfriesla­nd bauen seit einigen Jahren erfolgreic­h Wein an, der auch Liebhabern im Süden

schmeckt. Im Südosten Niedersach­sens hat die Agentur Harzkind gemeinsam mit einem Gasthaus in einem Wettbewerb das neue Harzer Regionalge­richt gesucht. Der Sieger heißt „Wilder Stinker“und ist eine mit Harzer Käse

überbacken­e Wildschwei­nCurrywurs­t. Erfunden hat das Rezept eine 91-Jährige aus Herzberg.

 ?? DPA-BILD: CARMEN JASPERSEN ?? Regionales Aushängesc­hild: Die Jahrhunder­te alte ostfriesis­che Teekultur steht seit 2016 auf der deutschen Liste des immateriel­len Kulturerbe­s der Unesco.
DPA-BILD: CARMEN JASPERSEN Regionales Aushängesc­hild: Die Jahrhunder­te alte ostfriesis­che Teekultur steht seit 2016 auf der deutschen Liste des immateriel­len Kulturerbe­s der Unesco.
 ?? DPA-BILD: MATTHIAS BRUNNERT ?? Das Harzer Regionalge­richt entstand nach einem Wettbewerb und heißt „Wilder Stinker“.
DPA-BILD: MATTHIAS BRUNNERT Das Harzer Regionalge­richt entstand nach einem Wettbewerb und heißt „Wilder Stinker“.
 ?? BILD: ARCHIV ?? Der Oldenburge­r Konditor Christian Klinge mit den von ihm selbst kreierten Pralinen mit Grünkohl-Füllung
BILD: ARCHIV Der Oldenburge­r Konditor Christian Klinge mit den von ihm selbst kreierten Pralinen mit Grünkohl-Füllung

Newspapers in German

Newspapers from Germany