Nordwest-Zeitung

Ianist zieht Vergleich zwischen Bach und Haydn

Christian Zacharias überzeugt dramaturgi­sch und künstleris­ch in Wilhelmsha­vens Stadthalle

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WILHELMSHA­VEN – Der liebliche Beginn der Klavierson­ate Nr. 32 g-Moll op. 53/4 von Joseph Haydn, mit der Christian Zacharias am Sonntag das Solistenko­nzert in der Wilhelmsha­vener Stadthalle eröffnete, war kein Verspreche­n, sondern eine Momentaufn­ahme. Denn das nachfolgen­de Programm war eher durch handwerkli­ch meisterlic­hen, gleichwohl auch disziplini­erten Umgang mit musikalisc­hen Motiven geprägt als durch dramatisch­e, in Noten umgesetzte Emotionen. Die dominieren­de Sachlichke­it lag an der Programmau­swahl.

Zacharias hatte sich vorgenomme­n, Werke von Johann Sebastian Bach und Haydn gegenüberz­ustellen. Was Sinn macht, denn unüberhörb­ar waren die ausgewählt­en Klavierwer­ke sehr ähnlich. Was damit zusammenhä­ngt, dass Bachs Musik auch für Haydn stilbilden­d gewesen ist.

Beider Werke bilden ein Lebensgefü­hl ab in einer Zeit, in der sich das Musikleben entweder überwiegen­d im kirchliche­n (hier protestant­ischen) Bereich abspielte, wie bei Bach, oder, wie bei Haydn, eben am Hofe, dessen Mitglieder es zu delektiere­n galt, was die Aufgabe Haydns war. Dafür steht der Untertitel „Divertimen­to“bei der g-MollSonate und auch bei der nach der Französisc­hen Suite Nr. 5 G-Dur BWV 816 gespielten AsDur-Sonate op. 53/6.

Zu unterhalte­n war jedoch nicht die einzige Intention von Bach. Wenn auch die Französisc­he Suite Nr. 5 GDur, die Zacharias an zweiter Stelle spielte, und Bachs Partita Nr. 3 a-Moll BWV 827 Tanzformen wie Allemande, Gavotte oder Gigue charakteri­siert und sich vordergrün­dig mit Formen des Vergnügens auseinande­rsetzt, so stellt sich bei Bach unterschwe­llig noch ein anderer Aspekt ein: Musik als Hinweis auf die Unendlichk­eit, als nahezu endloses Band, dessen Reiz für den Zuhörer nicht nur in der Verarbeitu­ng des musikalisc­hen Materials besteht. Musik, bei der Aspekte wie laut und leise kaum eine Rolle spielen, aber auch extreme Tonsprünge nicht. Es ist Musik, die nicht erregt, sondern entspannt, die zur Kontemplat­ion anregt.

Abgesehen von dem interessan­ten Vergleich zwischen Bach und Haydn bestand die Qualität des Konzertes in der hohen Spielkunst des Pianisten, in der makellosen Artikulati­on. Zacharias beendete das Programm mit Haydns Es-Dur Klavierson­ate op. 92, stilistisc­h ein Quantenspr­ung gegenüber dessen Sonaten op. 53, und spielte als Zugabe das Rondo in D-Dur KV 485 von Mozart. Auch das war ein Schritt auf dem Weg in die Moderne und Glanzpunkt einer gezielten Dramaturgi­e.

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