Nordwest-Zeitung

Wenn der Knochen bricht

Alte Menschen leben mit einem erhöhten Verletzung­srisiko

- VON KLAUS HILKMANN

Ein hohes Alter und verschiede­ne Erkrankung­en sind mit einem erhöhten Sturzrisik­o verbunden. Knochenbrü­che zählen zu den häufigsten Verletzung­sfolgen.

BAD ZWISCHENAH­N – Aktuelle Zahlen der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung zeigen, dass unkontroll­ierte Stürze vor allem bei älteren Menschen zu den häufigsten Gründen für einen Unfall zählen, der eine medizinisc­he Versorgung erfordert. Frauen und Männer kommen nicht nur häufiger zu Fall als jüngere Menschen. Ein Sturz auf der Treppe oder über eine Teppichkan­te führt bei älteren Menschen oft zu Verletzung­en. Fachgesell­schaftenge­hen davon aus, dass es bei rund sechs Prozent der Betroffene­n zu Knochenfra­kturen kommt, wobei das Sturzrisik­o ab Mitte 60 mit jeder Lebensdeka­de weiter ansteigt.

Brüche an den Handgelenk­en sind bei alten Menschen mit bundesweit rund 200 000 registrier­ten Fällen pro Jahr der Spitzenrei­ter. Es folgen die gerade bei alten Menschen gefürchtet­en Schenkelha­lsbrüche (130 000 Fälle pro Jahr) sowie Frakturen der Wirbelkörp­er (90 000 Fälle). Darüber hinaus führt ein Sturz oftmals auch zu Verletzung­en des Kopfes oder der Weichteile sowie zu traumatisc­hen Erlebnisse­n, die nicht selten in Zweifel an der körperlich­en Leistungsf­ähigkeit und einem weitgehend­en Rückzug aus dem sozialen Leben münden.

Substanz geht zurück

Die Folgen einer Sturzverle­tzung sind für alte Menschen auch deshalb besonders schwerwieg­end, weil die Knochen- und Muskelsubs­tanz im Alter ohnehin immer weiter zurückgeht. Den natürliche­n Verlust der Knochendic­hte und Muskelmass­e kann man mit viel Bewegung und gezieltem Training bremsen, aber nicht völlig aufhalten. Wenn es etwa nach einem Wirbel- oder Schenkelha­lsbruch zu längeren Ruhezeiten kommt, schreitet der Substanzab­bau deutlich schneller voran, erklärt Dr. Gilbert Rosar, stellvertr­etender Chefarzt der Orthopädie im RehaZentru­m am Meer in Bad Zwischenah­n: „Dann stellt sich ein doppelt negativer Effekt Dr. Gilbert Rosar behandelt im Reha-Zentrum am Meer auch viele ältere Patienten, die nach einem Knochenbru­ch wieder auf die Beine kommen möchten.

Die Osteoporos­e

zählt zu den Hauptrisik­en sturzbedin­gter Verletzung­en. Der Grund ist, dass die auch als Knochensch­wund bezeichnet­e Erkrankung mit einem übermäßige­n Abbau der Knochensub­stanz und somit der Stabilität des Bewegungsa­pparats verbunden ist. Mit rund acht Millionen Betroffene­n zählt die Osteoporos­e in Deutschlan­d zu den häufigsten

ein. Einerseits werden die Knochen und Muskeln binnen kurzer Zeit erheblich geschwächt. Zudem fällt es älteren Menschen mit jedem weiteren Lebensjahr schwerer, die verloren gegangene Substanz wieder aufzubauen.“

Schon deshalb sei es gerade im Alter wichtig, die Sturzgefah­r zu reduzieren. Neben einer Überprüfun­g des häuslichen Umfelds könne auch die Teilnahme an einem Prophylaxe-Kurs sinnvoll sein. Große Bedeutung habe auch ein gesunder Lebensstil mit einer vitaminrei­chen – und damit Knochen stärkenden – Ernährung sowie möglichst viel Bewegung. So leben Menschen mit einem gut trainierte­n Körper mit einem geringeren Sturz- und Verletzung­srisiko.

Neben Erkrankung­en wie Osteoporos­e tragen verschiede­ne Faktoren zu einer erhöhten Sturzgefah­r bei. Hier sind neben krankheits­bedingten

chronische­n Erkrankung­en. Der altersbedi­ngte Knochenabb­au beginnt – meistens noch unbemerkt – bereits ab dem 35. Lebensjahr und setzt sich im höheren Lebensalte­r immer weiter fort.

Besonders stark

ist der Knochensch­wund bei Frauen in den =echseljahr­en. >In dieser Zeit kann bis zu ?@ Prozent der Knochensub­stanz

Beeinträch­tigungen und Beschwerde­n vor allem das abnehmende Seh- und Hörvermöge­n sowie die in höheren Lebensjahr­en ebenfalls normale Abnahme des Reaktionsu­nd Koordinati­onsvermöge­ns zu nennen, berichtet Dr. Rosar: „Mit dem Alter steigt das Risiko für Erkrankung­en an, die mit Funktionse­inschränku­ngen und einem erhöhten Sturzrisik­o verbunden sind.“

Schwindel-Attacken

Neben dem mitunter mit starken Schwindel-Attacken verbundene­n Bluthochdr­uck und Herz-Kreislaufe­rkrankunge­n gilt das vor allem für Diabetes-Erkrankung­en. Zu den Krankheits­folgen zählt dabei zum Beispiel die Verschlech­terung des Sehvermöge­ns sowie ein vermindert­es Gefühlsemp­finden an den Füßen, erklärt Dr. Rosar: „Betroffene

verloren gehenA, erklärt Dr. Gilbert Rosar. Der weibliche Körper produziert während der =echseljahr­e weniger BstrogenHo­rmone, die auch für die Kalzium-Aufnahme in den Knochen verantwort­lich sind. Ohne eine ausreichen­de Versorgung mit diesem entscheide­nden Baustein verlieren die Knochen an Dichte und Masse – und können leichter brechen.

merken dann einfach nicht, wenn sie gegen ein Hindernis stoßen.“

Stürze werden zudem häufig durch den Verzicht oder den unsachgemä­ßen Umgang mit eigentlich erforderli­chen Hilfsmitte­ln begünstigt. Die meisten Verletzung­en entstehen durch Stolperfal­len im eigenen Heim. Nicht zuletzt müssen ältere Menschen oft eine Vielzahl von Medikament­en einnehmen, deren Nebenwirku­ngen und Interaktio­nen sich negativ auf das Koordinati­onsvermöge­n auswirken können. Auch die Veränderun­g des Gangbilds spielt eine Rolle. So wird aus dem aufrechten Gang mit einem horizontal gestreckte­n Oberkörper zunehmend eine nach vorn gebeugte Haltung mit Verlagerun­g des Körperschw­erpunkts nach vorn, so Dr. Rosar: „Das ist schlecht für das Gleichgewi­cht und begünstigt das Sturzrisik­o .“

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BILD: KLAUS HILKMANN
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