Gutes Signal aus der Schweiz
NDR-Intendant Lutz Marmor über das öffentliche-rechtliche System
Dass die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) weiter bestehen kann, ist ein gutes Signal für öffentlich-rechtliche Sender in ganz Europa. 71,6 Prozent der Stimmbürger votierten für die Beibehaltung des Rundfunkbeitrags. Neben der Klarheit des Ergebnisses ist die Entwicklung der Debatte in der Schweiz bemerkenswert: Die Zustimmung für die SRG wuchs mit der Zeit und der Zahl der diskutierten Argumente. Der Solidargedanke des „Rundfunks für alle“geriet ins Zentrum der Betrachtung.
Auch bei uns in Deutschland gibt es Kritik am dualen Rundfunksystem und am Rundfunkbeitrag. Die Alternative: Jeder zahlt nur noch für die Sendungen, die er oder sie nutzt.
Nur: Viele Angebote jenseits des Mainstreams gäbe es dann gar nicht mehr. Sie würden wegfallen, weil sie uninteressant sind für eine kommerzielle Verwertung. Ein Fernseh- und Hörfunkstudio in Oldenburg würde sich im gegenwärtigen Umfang nicht rechnen. Die Folge: Menschen müssten auf regionale Information, aber zum Beispiel auch auf Dokumentationen und Kulturprogramme vernen Das NDR-Funkhaus in Hannover.
zichten. Mit Blick auf Serien, Spielfilme und Sport entstünde eine mediale Zwei-Klassen-Gesellschaft. Dabei blieben all jene auf der Strecke, die sich kommerzielle Streamingdienste nicht leisten können. Das ist beim Rundfunkbeitrag anders: Wer ihn nicht zahlen kann, wird befreit.
Kritiker der bestehenden Rundfunkordnung behaupten, die Zuschauer- und Hörerzahlen von ARD und ZDF seien schwindend, die Sender würden unbeliebter. Die Zahlen zur Mediennutzung zeigen ein ganz anderes Bild. Danach
verbringen die Menschen in Deutschland täglich mehr als drei Stunden mit den öffentlich-rechtlichen Programmangeboten im Fernsehen und im Radio – und das für weniger als 60 Cent am Tag. Der
Nachrichten-Klassiker Tagesschau hat fünf Jahre hintereinander Publikum hinzugewonnen und 2017 mit einem Rekord abgeschlossen: Im Durchschnitt verfolgen jeden Abend bundesweit mehr als zehn Millionen Zuschauerin- und Zuschauer die 20Uhr-Ausgabe. Im Schnitt 7,9 Millionen schalten täglich das NDR Fernsehen ein. Nicht zu vergessen das Radio: Rund 6,8 Millionen Menschen pro Tag hören mindestens ein Radioprogramm des NDR.
Repräsentative Befragungen zeigen zusätzlich einen starken Rückhalt in der Bevölkerung. Beispiel NDR: 83 Prozent der befragten Menschen vertrauen dem NDR, 88 Prozent bewerten den Sender als glaubwürdig. Für 90 Prozent der Norddeutschen ist der NDR laut Umfrage der Sender für Norddeutschland.
Und trotzdem gibt es Reformbedarf: Seit Mitte der 90er-Jahre, solange bin ich beim NDR, sparen wir. Wir haben seitdem mehr als 700 Stellen sozialverträglich abgebaut. Die eingeleiteten Schritte zu einer ARD-Strukturreform sind eine weitere große Anstrengung. Unser Ziel bleibt auch künftig, möglichst viele Menschen mit unseren Angeboten zu erreichen. Und wir müssen zuhören – wir sind nicht perfekt. Kritik hilft uns, besser zu werden. Ich bin davon überzeugt, dass eine große Mehrheit der Menschen diesen Kurs richtig findet – hier bei uns im Norden genau wie in der Schweiz.
Autor dieses Gastbeitrages ist Lutz
Marmor. Der 63-jährige Betriebswirt ist seit 2008 Intendant des Norddeutschen Rundfunks. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de