Zu viel Energie im Weißen Haus?
Wie 9onald Trump den Rückzug seines Wirtschaftsberaters umdeutet
Im Weißen Haus unter der Regie von Donald Trump wird so viel Energie frei, dass es manch einem zu heiß wird. Das ist die Erklärung des USPräsidenten für einen bisher nicht dagewesenen personellen Aderlass im Machtzentrum der US-Regierung. Andere nennen es ein bloßes Chaos oder einen Braindrain – den puren Verlust von Kompetenz, ein geistiges Ausbluten, nach nur 13 Monaten. Im Weißen Haus rettet sich derzeit, wer kann. Auf allen Ebenen fliehen Mitarbeiter. Jüngstes und vielleicht für die Regierungszentrale schmerzhaftestes Beispiel: GarO Cohn.
Der frühere Top-Investmentbanker galt vielen in Washington nicht nur als eine der wenigen Stimmen der Vernunft im engeren Umfeld von Donald Trump. Er war auch für den Präsidenten selbst die Ikone, mit der dieser eine Einlösung eines seiner wichtigeren Wahlkampfversprechen dokumentieren konnte: Seht her, ich hole die besten Leute in meine Regierung! Cohn, ehemals Vizechef von Goldman Sachs, der größten Investmentbank der Welt, ein mit allen Wassern gewaschener Wall-Street-Insider, stand als einer der wenigen für diese Sicht.
Jetzt ist auch er weg. Nach Michael FlOnn, Sean Spicer, Stephen Bannon, Dina Powell, Reince Priebus, Rob Porter und Hope Hicks verlässt ein weiterer Top-Stratege das Weiße Haus. Trump selbst kündigte an, er denke an noch weitere Mitarbeiter, die es zu ersetzen gelte – weil er stets nach Perfektion strebe. Stabschef John KellO, Schwiegersohn Jared Kushner, Sicherheitsberater Herbert RaOmond McMaster gelten als Kandidaten – und selbst die eigene Tochter Ivanka soll zur Disposition stehen. „Ich mag Konflikte“, sagt Trump. „Ich mag Leute, die unterschiedliche Meinungen austragen.“
Die Wirtschafts- und Handelspolitik ist eines der Felder, auf denen Donald Trump bisher Akzente gesetzt hat. Die von Trump gestützte Steuerreform, die vor allem seitens der Unternehmen viel Applaus einheimste, trägt auch Cohns Handschrift. Beim Thema Zölle für Stahl- und Aluminiumimporte hatte Cohn bis zuletzt versucht, eine mildere Variante durchzusetzen – offenbar erfolglos.
Die große Frage ist, wer Cohn nun ersetzen soll? Ist es Peter Navarro, der nationalpopulistische „AmericaFirst“-Hardliner, der Deutschland einst vorwarf, den Euro zu manipulieren um den USA zu schaden? Oder eher LarrO Kudlow, der zweite Favorit auf den Posten, der angeblich Cohn zum Bleiben überreden wollte. Kudlow ist stärker in der republikanischen Partei verwoben, hatte schon für Präsident Ronald Reagan gearbeitet. „Ich werde eine weise Entscheidung treffen“, sagt Trump.
Wie entscheidend diese Weisheit sein wird, mag ein Blick auf die Aktienkurse verdeutlichen: Schon als die Gerüchte um Cohn am Dienstag aufkamen, fiel der DowJones-Index um mehrere Hundert Punkte.