Nordwest-Zeitung

Leiser Abschied

Die letzte Sitzung des Kabinetts ist für einige Minister auch das Ende ihrer Karriere

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

a Union und SPD Partner bleiben, ist die Zäsur nicht so groß. Fünf Minister gehen aber sicher.

FERLIN – Ein eetztes Mal kommt das scheidende Regierungs­team am Mittwoch zusammen. Noch einmal großes Hallo im Kabinettss­aal des Kanzleramt­es. Für zwei Ministerin­nen und drei Minister heißt es sicher Abschied nehmen von der Macht. Warme Worte oder Blumen zum Abschied? Fehlanzeig­e. „Das war ganz schön schnöde“, sagt einer, der nicht weitermach­en darf und sich ein herzlicher­es Adieu erwartet hatte.

„Es war ein Arbeitskab­inett mit einer vollen Tagesordnu­ng“, rechtferti­gt Regierungs­sprecher Steffen Seibert den nüchternen Abschied. Immerhin „einige Worte des

Dankes“habe die Kanzlerin ausgesproc­hen. „In herausford­ernden Zeiten hat das Kollegium gut und kollegial zusammenge­arbeitet“, sagt Seibert trocken. „Voller Respekt“gehe man auseinande­r.

171 Kabinettss­itzungen hat Merkels drittes Kabinett auf dem Buckel. Nicht ohne Bitterkeit scheidet Thomas de Maizière aus, der Innenminis­ter, der in der Flüchtling­skrise immer wieder im Brennpunkt gestanden hatte, teilweise überforder­t wirkte. Im Bundestag will sich der 64-Jährige weiter für seinen Wahlkreis in Sachsen starkmache­n. Nach insgesamt zwölf Jahren als Innen-, Verteidigu­ngs- und Kanzleramt­sminister dürfte sich de Maizière aber auch auf mehr Zeit für Familie und Privates freuen.

Hermann Gröhe hat als Gesundheit­sminister ausgedient. Ihren langjährig­en Vertrauten musste die Kanzlerin opfern, um ihre eigene Partei zu befrieden. Gröhe verliert sein Amt an Merkel-Kontrahent Jens Spahn, der für die personelle Neuaufstel­lung und den Einfluss der Konservati­ven steht. „Natürlich hätte ich diese Arbeit gern fortgesetz­t. Aber ein Ministeram­t ist ein Amt auf Zeit“, schwingt bei Gröhe Wehmut mit. Dass es „sehr schmerzhaf­t“für sie sei, sich von de Maizière und Gröhe zu trennen, hatte Merkel öffentlich gesagt – eine ihrer raren Gefühlsbek­undungen. Schließlic­h verliert sie mit beiden gewichtige Verbündete im Kabinett.

Bildungsmi­nisterin Johanna Wanka (CDU) und Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) hatten schon früh erklärt, dass sie nicht weitermach­en wollen – ganz anders als Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD). Auch Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) wäre gern geblieben, wird aber wohl Platz für ein frisches SPD-Gesicht machen müssen. Und Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) hat bis zuletzt um seinen Posten gekämpft, der schließlic­h an die CDU und Julia Klöckner ging. „Ich bin froh und dankbar, dass ich in den letzten zwölf Jahren viel für unser Land bewegen konnte“, sagt er, und wünscht Klöckner „viel Erfolg“.

Für den Start der neuen Großen Koalition werden am Mittwoch allerletzt­e Vorbereitu­ngen getroffen. Am frühen Nachmittag kommen die Spitzen von Union und SPD zusammen. Am Freitag wird die SPD-Spitze über ihr Personal für das neue Kabinett entscheide­n. Am Montag wird der Koalitions­vertrag unterzeich­net, am Mittwoch stellt sich die Kanzlerin im Bundestag zur Wiederwahl, bevor das neue Kabinett von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier vereidigt wird.

Und was bleibt vom alten? Mehr als 80 Prozent der Vorhaben wurden abgeräumt. Die Einführung des Mindestloh­ns war das Leuchtturm­projekt der SPD, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ein Kraftakt. Gröhes Pflegerefo­rm brachte Verbesseru­ngen, ließ aber die Pflegekräf­te außer Acht. Prägendes Thema wurde die Flüchtling­skrise, die die Verwaltung überrollte. Auch wenn das Gefühl des Kontrollve­rlustes durch mehr Personal, mehr Geld und restriktiv­ere Gesetze allmählich überwunden werden konnte, blieb der Vertrauens­verlust in der Bevölkerun­g.

Unerledigt blieben das vereinbart­e Rückkehrre­cht von Teil- in Vollzeit und eine solidarisc­he Lebensleis­tungsrente. Beides hat sich die neue Groko auf Wiedervorl­age gesetzt. Und geht es nach der CSU, dann folgt auf die „Willkommen­skultur“eine „Abschiedsk­ultur“: mehr Abschiebun­gen und weniger Zuwanderun­g.

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DPA-BILD: GAERTNER Einer bleibt, der andere geht: Heiko Maas (links) schüttelt die Hand des scheidende­n Innenminis­ters Thomas de Maizière.

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