Nordwest-Zeitung

Unfallfahr­er weint vor Gericht

|it Müllwagen umgekippt – Fünf Menschen unter Fahrzeug begraben

- VON LENA MÜSSIGMANN

9ie Staatsanwa­ltschaft wirft dem 55-Jährigen fahrlässig­e Tötung vor. 9er Angeklagte schilderte seine Verzweiflu­ng, als er vor der Kreuzung Probleme beim Bremsen bemerkt habe.

TÜBINGEN – Der Angeklagte verbirgt sein Gesicht mit dem grauen Schnauzbar­t in den Händen und versucht, sich zu erinnern. Doch wann genau er vor dem tragischen Unfall mit fünf Toten den Hebel für die Motorbrems­e seines Müllwagens zog und wann er mit dem Bremspedal bremste oder bremsen wollte – es mag am ersten Prozesstag am Landgerich­t Tübingen nicht ganz klar werden. Sein schweres Müllauto rollte zu schnell auf eine T-Kreuzung zu, wo es umkippte und ein Auto mit fünf Menschen unter sich begrub. Alle Insassen starben, darunter zwei Kinder. Im Prosagt

zess muss geklärt werden: Wie konnte es am 11. August 2017 bei Nagold in Baden-Württember­g zu dem Unfall kommen?

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 55-Jährigen, der damals den Müllwagen fuhr, fahrlässig­e Tötung vor. Demnach fuhr der Lastwagen mit Tempo 51 statt 30 in die Kreuzung. Für den Fahrer sei es

vorhersehb­ar und vermeidbar gewesen, dass das Fahrzeug bei dieser Geschwindi­gkeit beim Rechtsabbi­egen außer Kontrolle gerät, sagt der Staatsanwa­lt.

Der Angeklagte schildert indes seine Verzweiflu­ng, als er auf abschüssig­er Strecke vor der Kreuzung Probleme beim Bremsen bemerkt habe. „Das Pedal ging nicht weiter“, er am Mittwoch. Bei der Polizei hatte er laut Gericht noch geschilder­t, dass er das Pedal ganz durchgedrü­ckt hat, aber keine Bremswirku­ng spürte. Ein Gutachten im Auftrag der Staatsanwa­ltschaft ist jedoch zum Ergebnis gekommen, dass am Müllwagen kein technische­r Defekt bestand.

Hat möglicherw­eise eine Vesperdose unter dem Pedal gelegen? Eine solche Dose aus dem Fahrerhaus wurde darauf untersucht. Entspreche­nde Spuren habe man daran nicht gefunden, sagt ein Polizist. Trotzdem sei das Szenario nicht völlig auszuschli­eßen, fügt er hinzu.

Er habe das Auto der späteren Opfer heranfahre­n sehen, erzählt der Fahrer in seiner Aussage. Dann sei sein Wagen umgekippt. Nachdem er sich befreit hatte, habe er sich nach dem Auto umgesehen. Erst beim Herumgehen um seinen Müllwagen habe er ein Stück des Autos darunter gesehen. Als er das erzählt, kommen ihm die Tränen. Er ist gezeichnet von der psychische­n Belastung durch den Unfall.

 ?? DPA-BILD: ROSAR ?? Die Unglücksst­elle, an der ein Müllwagen auf ein Auto gekippt war. Fünf Menschen kamen ums Leben.
DPA-BILD: ROSAR Die Unglücksst­elle, an der ein Müllwagen auf ein Auto gekippt war. Fünf Menschen kamen ums Leben.

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